Wenn man dich Engel nennt, Wills so der Brauch; Daß dus an Schönheit bist, Seh ich wohl auch; Magsts auch an Güte sein: Gib und gewähr! Nur nicht an Heiligkeit, Bitt ich gar sehr.
2 Daß dein Kleid rosenrot, Find ich recht fein, Kanns, wo der Gürtel schließt, Anders wohl sein? Denn, wo im Lenz ich sah Knöspchen am Rain, Gaben sie ähnlichen Blaßroten Schein.
3 Im Schatten ihrer Wimpern Blün zwei Vergißmeinnicht; Der überflüßgen Lehre, Die so ein Blümchen spricht! Wie könnte dein vergessen, Der je geschaut dein Licht? Und doch, laß sie nur sprechen! Vergiß du selber nicht!
4 Gelb ist der Saaten Wallender Streif? Blond sind die Ähren Und sie sind reif. Blond wie dein Häuptchen, 's ist an der Zeit, Schon hält der Schnitter Die Waffe bereit.
5 Wenn du die Liebe schon gekannt, Gefühlt schon ihren Kuß, Wer tadelt dich in seinem Wahn Und darbet, weil er muß? Jedes treibt wozu es ward, So wills ein ewger Schluß: Hephästen steht die Arbeit wohl, Cytheren der Genuß.
Gedichte. Die meisten Gedichte wurden kurz nach ihrem Entstehungsdatum erstmals in verschiedenen Zeitschriften abgedruckt. Erstdruck der ersten Gesamtausgabe nach Grillparzers Tod, 1872. Franz Grillparzer: Sämtliche Werke. Band 1, München [1960–1965], S. 153-154.
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