Monden schwinden, Jahre fliehen Auf den Fittigen der Zeit! Kaum siehst du die Rose glühen, Kaum siehst du das Veilchen blühen, Hat ein Windstoß sie zerstreut.
Heute strahlt Gesundheitsfülle Aus des Knaben muntern Blick! Morgen deckt des Grabes Hülle Ihn mit grauser Todesstille, Und erloschen ist sein Blick!
Wohl dem, der als Greis und Knabe Nur der holden Tugend lebt, Und auch an dem nahen Grabe An des Alters schwachem Stabe Nicht vor dem Vergelter bebt!
Der, doch mäßig und bescheiden, Auch des Lebens Lust genießt, Und zum Kelche seiner Leiden Manchen Tropfen sanfter Freuden Weise und bedachtsam gießt.
Dem zum Guten und zum Schönen Liebe nur die Brust erfüllt, Der der armen Waise Stöhnen Und der Witwe herbe Tränen Helfend wie ein Engel stillt.
Er kann froh den Blick erheben, Denn er ist ein braver Mann, Ewig, ewig wird er leben, Über Sternen wird er schweben, Denn auch er hat recht getan!
Teurer Freund, auch du sollst nützen! – Höre stets der Tugend Ruf, Denn du sollst sie unterstützen Und gekränkte Unschuld schützen, Wie das Wesen, das dich schuf!
Nicht nur nützen; auch das Freuen Weigert dir die Gottheit nicht: Deine Kraft den Musen leihen, Und dich ihrem Dienste weihen, Sei dir Freude, sei dir Pflicht!
Handle immer brav und bieder! – Hast du recht und brav getan, Dann singt einst der Chor der Brüder Dir am Grabe Trauerlieder, "Hier auch liegt ein braver Mann!"
Gedichte. Die meisten Gedichte wurden kurz nach ihrem Entstehungsdatum erstmals in verschiedenen Zeitschriften abgedruckt. Erstdruck der ersten Gesamtausgabe nach Grillparzers Tod, 1872. Franz Grillparzer: Sämtliche Werke. Band 1, München [1960–1965], S. 31-32.
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