Георг Фридрих ДаумерDIE BLICKE DEINER AUGEN
Die Blicke deiner Augen...
Die Blicke deiner Augen,
O meine schöne Freundin,
So wie sie sich nur einmal
Den meinen zugelenkt, –
Ach diese Zauberblicke,
Die leuchtenden Geschosse,
Die mörderischen Pfeile
Mit süßem Gift getränkt! –
Sie haben ohne Zorn mich,
Sie haben ohne Feindschaft
Mich also schwer verwundet,
Mich also tief gekränkt,
Daß schon von Sterbedunkel
Mein irres Auge flimmert,
Daß sich mein Haupt ermattet
Zu Tod und Grabe senkt.
2.
O du, mein theures Leben,
Du, mein geliebter Tod!
O sähst du meine Thränen,
Die ohne Maß vergoßnen
In meiner heißen Noth!
Zu schmelzen harte Steine,
Uralte Felsenblöcke,
Vermöchten diese Gluthen,
Vermöchten diese Fluthen,
Mit welchen meine Seele,
Mit welchen Kraft und Dasein
Hinströmet harmzerflossen
Aus schwimmender Augen Roth.
3.
Wie brennt sie, meine Wunde!
Wie fiebern meine Schläfe!
Mein Athem, ach, wie schöpft er
So ängstlich und so schwer!
Und rings in meinem Jammer,
Allrings in meiner Bange,
Nach einem Arzt der Liebe,
Nach Arzenei'n der Sehnsucht
Forsch' ich im Land umher.
Da wird mir aus dem Munde
Der Leute diese Kunde:
"Für solche schlimme Wunde,
Für solche böse Krankheit,
Sind alle Weltenrunde
An Rath und Hülfe leer;
Wenn nicht vielleicht durch jene
Dein sieches Herz gesundet,
Die dich so tief verwundet,
Die diese Noth gestiftet,
Die deine Brust vergiftet
Mit dieser Gluthbeschwer.
4.
O du, von der getrennt mich
Unbeugsame Gewalten,
Feindselige Schrecken halten,
Die deiner Tage Herrn!
O sprich, wie kann ich athmen,
Wo deines Hauches Ambra
Nicht alle Lüfte würzet,
O sprich, wie kann ich athmen,
Von deinem Munde fern?
O sprich, wie kann ich leben,
Getrennt von einem Lichte,
Dem seine Strahlenwonne
Zu danken hat der Sonne
Lichtloser, dunkler Kern?
O sprich, wie kann ich leben
Fern deinem Angesichte,
Fern deinem Augenstern?
5.
Allein bei diesen Augen,
Bei'm Ambra dieses Mundes,
Bei deines Angesichtes
Geweihter Kaba schwör' ich:
Nicht lange mehr, so bin ich
Verloren oder selig,
Vernichtet oder heil.
Nicht lange mehr, so wird man
In meiner Hand erblicken
Ein wuthgeschwungnes Beil.
Damit werd' ich die Thore,
Die prangenden, zerschmettern,
Die meiner Thräne spotten,
Verhöhnen alle Leiden,
Von deiner Brust mich scheiden,
O meiner Seele Heil!
Dann sei der Taumel Edens,
Sei namenlose Wonne,
Wo nicht, die Pein der Hölle,
Sei Untergang mein Theil!
Hafis. Poetische Zugaben. Arabisch. Der Edition liegt der Erstdruck der Sammlung zugrunde: Hafis. Eine Sammlung persischer Gedichte, nebst poetischen Zugaben aus verschiedenen Völkern und Ländern, Hamburg (Hoffmann und Campe) 1846.
Georg Friedrich Daumer: Hafis. Hamburg 1846, S. 169-172.