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Себастьян БрантDAS NARRENSCHIFF. 85 SICH DES TODES NICHT VERSEHEN.

All die wir leben hier auf Erden...
8 мин.
33
немецкий
Mag Adel, Gut, Stärk', Jugendzier
In Fried' und Ruh sein, Tod, vor dir?
All das, was Leben je gewann
Und sterblich ist, – das muß daran.

Ein Narr mit Schellen an den Schnabelschuhen und an der Kappe und einem Bündel Schellen in der Hand wird von dem Tode, der die Bahre trägt, beim Rockschoß festgehalten. Darüber die Worte: du bleibst!
All die wir leben hier auf Erden,
Geliebte Freund', betrogen werden,
Weil wir nicht vorzusehn gewohnt
Den Tod, der unser doch nicht schont.
Wir wissen, und es ist uns Kunde,
Daß uns gesetzet ist die Stunde,
Und wissen nicht wo, wann und wie?
Doch ließ der Tod noch keinen hie.
Wir sterben all und fließen hinnen
Wie Wasser, die zur Erde rinnen;
Darum sind wir gar große Narren,
Daß wir nicht denken in viel Jahren,
Die uns Gott deßhalb leben läßt,
Daß wir uns rüsten auf das Best'
Zum Tod und lernen, daß wir hinnen
Einst müssen ohne zu entrinnen.
Der Wein ist schon getrunken drauf,
Wir können nicht abstehn vom Kauf;
Die erste Stund' die letzte brachte,
Und wer den Ersten ehmals machte,
Der wußt' auch, wie der Letzt' würd' sterben.
Aber die Narrheit thut uns färben,
Daß wir gedenken nicht daran,
Wie uns der Tod nicht lassen kann
Und unsers schönen Haars nicht schonen,
Noch unsrer grünen Kränz' und Kronen.
Mit Recht "Hans Achtseinnit" er heißt,
Denn wen er greift und an sich reißt,
Sei er auch stark und schön und jung,
Den lehrt er gar seltsamen Sprung,
Den billig ich den Todsprung heiß',
So daß ihm ausbricht kalter Schweiß
Und streckt und krümmt sich wie ein Wurm,
Denn da thut man den rechten Sturm.
O Tod, was hast du für Gewalt,
Dieweil du hinnimmst Jung und Alt!
O Tod, wie ist so hart dein Nam'
Für Adel, Macht und hohen Stamm;
Für den zumal, der Freud' und Muth
Allein gesetzt auf zeitlich Gut!
Der Tod mit gleichem Fuß zertritt
Des Königs Saal, des Hirten Hütt':
Er achtet Pomp nicht, Macht noch Gut,
Dem Papst er wie dem Bauern thut.
Drum ist ein Thor, wer alle Tag'
Den flieht, den er nicht fliehen mag,
Und meint, wenn er die Schellen schüttelt,
Daß ihn der Tod alsdann nicht rüttelt;
Auf die Bedingung kommt fürwahr
Ein Jeder, daß er wieder fahr'
Von hinnen und dem Tod zustehe,
Wenn von dem Leib die Seele gehe.
Nach gleichem Recht der Tod hinführt
Das, was das Leben je berührt:
Du stirbst, der bleibt noch länger zwar,
Doch keiner je unsterblich war:
Die tausend Jahre angesehn,
– Sie mußten doch zuletzt auch gehn;
Der Rock war kaum getragen ab,
Da sank der Sohn in des Vaters Grab;
Ein andrer den Tod vorm Vater schaut,
Denn man findet auch manche Kälberhaut.
Je einer fährt dem andern nach,
Und wer nicht wohl stirbt, findet Rach'.
Auch lassen die ihre Narrheit scheinen,
Welche um Todte trauern und weinen,
Ihnen mißgönnen ihre Ruh',
Der wir doch alle eilen zu,
Denn Keiner geht zu früh dort ein,
Wo er in Ewigkeit muß sein.
Es geschieht gar Manchem wohl daran,
Daß Gott ihn zeitlich ruft hindann.
Der Tod bracht' Manchem Nutzen ein,
Daß er ohn' Trübsal ward und Pein.
Viel haben den Tod auch selbst begehrt;
An Andern er sich Danks bewährt,
Zu denen er ungerufen gegangen:
Er machte frei viel, die gefangen
Und hat viel aus dem Kerker gebracht,
Denen der ewig war zugedacht.
Das Glück theilt ungleich Gut und Reich,
Aber der Tod macht Alles gleich;
Er ist ein Richter, der fürwahr
Nichts abläßt, wann er gebeten war;
Er ist's allein, der Alles lohnt,
Der Keinen jemals hat geschont
Und Keinem je gehorsam ward,
– Sie mußten all' auf seine Fahrt
Und ihm nachtanzen seinen Reihen:
Päpst', Kaiser, König, Bischöf', Laien,
Deren mancher noch niemals gedacht,
Daß man den Vortanz ihm gebracht,
Und er muß tanzen in dem Gezotter
Den Westerwälder und den Trotter;
Wenn er hätt' eher daran gedacht,
Es wär' nicht gekommen so über Nacht.
So mancher Narr kam auf die Bahr',
Der um sein Grab voll Sorge war
Und wandte dran so großes Gut,
Daß es noch Manchen wundern thut.
Ein Mausoleum hat erbaut
Artemisia dem Gatten traut
Und soviel Kosten dran gewandt
Mit großer Zier und milder Hand:
Es war eins jener Wunder groß,
Deren sieben der Erdkreis in sich schloß.
Die Gräber in Egyptenland
Hat Pyramiden man genannt;
Es baute Chemnis sich ein Grab
Und hing daran sein Gut und Hab',
Da dreimalhunderttausend Mann
Und sechzigtausend wirkten dran,
Denen gab an Kraut er alsoviel,
(Der andern Kost ich schweigen will),
Daß wol kein Fürst wär' jetzt so reich,
Der das bezahlte jenem gleich.
Ein Gleiches Amasis vollbrachte,
Auch Rhodope sich eines machte.
Welch große Thorheit doch der Welt,
Daß man legt ein so mächtig Geld
An Gräber, da man wirft hinein
Den Aschensack, die Schelmenbein',
Und gab so große Kosten aus,
Daß man den Würmern macht ein Haus,
Aber der Seele wird nichts geweiht,
Die doch leben muß in Ewigkeit.
Der Seel' hilft nicht ein köstlich Grab,
Daß einen Marmorstein man hab'
Und aufhäng' Schild, Helm, Banner groß;
"Hier liegt ein Herr und Wappengenoß!"
Haut man ihm dann in einen Stein.
Der rechte Schild ist ein Todtenbein,
Dran Würmer, Schlangen, Kröten nagen,
Das Wappen Kaiser und Bauer tragen,
Und wer hier zieht einen feisten Bauch,
Speist seine Wäppner am längsten auch.
Da ist ein Fechten, Reißen, Brechen,
Die Freunde sich um das Gut erstechen,
Denn jeder möcht' es ganz behalten,
– Die Teufel mit der Seele schalten
Und thun mit der wüst triumphiren,
Von einem Bad sie ins andre führen,
Von eitel Kälte in eitel Hitz'.
Wir Menschen leben ganz ohn' Witz.
Daß wir der Seel' nicht nehmen wahr,
Des Leibes sorgen immerdar.
Die Erd' ist ganz gesegnet Gott,
Wohl liegt der da, der wohl ist todt.
Der Himmel manchen Todten deckt,
Der unter keinem Stein sich streckt.
Wem könnte sein ein schöner Grab,
Dem das Gestirn glänzt himmelab?
Gott findet die Bein' zu seiner Zeit,
Das Grab der Seel' nicht Freude leiht;
Wer wohl stirbt, hat den schönsten Tod,
Wer sündig stirbt, die schlimmste Noth!
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Brant, Sebastian: Das Narrenschiff. Leipzig [1877], S. 161-165.

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