Себастьян БрантDAS NARRENSCHIFF. 76 VON GROßEM RÜHMEN.
Die Gecken, Narren ich auch bringe...
Ritter Peter von Altenjahren,
Ich muß Euch greifen an die Ohren!
Mich dünkt, daß beid' wir Narren waren,
Wiewol Ihr führet Ritterssporen.
In einem saalähnlichen Gemache hinter einem Tische Doctor Griff, welcher den kläglich dreinschauenden Ritter Peter am Ohr gefaßt hält.
Die Gecken, Narren ich auch bringe,
Die sich berühmen hoher Dinge
Und wollen sein, was sie nicht sind,
Und wähnen, alle Welt sei blind
Und sie ihr fremd und unbekannt.
Mancher will edel und hoch sein genannt,
Deß Vater doch machte bumblebum
Und mit dem Küferwerk ging um,
Oder hat sich also begangen,
Daß er focht mit einer stählernen Stangen,
Oder rannte mit einem Judenspieß,
Daß er gar viele zu Boden stieß,
Und will, daß man ihn Junker nenne,
Als ob man nicht seinen Vater kenne,
Daß man spreche: Meister Hans von Menz,
Und auch sein Sohn, Junkherr Vincenz.
Viel rühmen hoher Dinge sich
Und prahlen stets zu Widerstich
Und sind doch Narren in der Haut,
Wie Ritter Peter von Pruntraut,
Der will, daß man zu ihm Ritter sage,
Dieweil er im Stechen am Murtener Tage
Gewesen sei, wo ihm so noth
Zu fliehen war, daß ihm der Koth
Die Hosen hat so hoch beschlämmt,
Daß man ihm waschen mußt' das Hemd.
Doch Schild und Helm er zeigen kann
Als Zeugniß, er sei ein Edelmann:
Er führt einen Habicht, gefärbt wie der Reiher
Und auf dem Helme ein Nest voll Eier,
Wobei ein Hahn in der Mauser sitzt,
Der möchte die Eier brüten itzt.
Derselben Narren findet man mehr,
Die wollen haben große Ehr',
Daß man sie hat voran gesehn.
Ja, da es wollt' ans Fliehen gehn,
Lugten sie hinter sich lange Zeit,
Ob ihnen folgten auch andre Leut?
Mancher rühmet sein Fechten groß,
Wie er den erstach und jenen schoß,
Der doch von ihm so weit wol war,
Daß keine Büchse ihm bracht' Gefahr.
Noch andre trachten nach edeln Wappen,
Wie sie führen mögen viel Löwentappen,
Einen gekrönten Helm und ein gülden Feld:
Die sind des Adels von Bennefeld.
Gar Manche sind edel durch ihre Frauen,
Deren Väter saßen in Ruprechtsauen;
Seiner Mutter Schild gar Mancher führt,
Weil er vielleicht im Vater irrt.
Viel haben Brief' und Siegel gut,
Als seien sie von edlem Blut;
Sie wollen die ersten sein nach Recht,
Die edel sind in ihrem Geschlecht,
Und dieses ich nicht straf' noch achte,
Weil man aus Tugend den Adel machte.
Wer gute Sitt', Ehr', Tugend kann,
Den halt' ich für einen Edelmann,
Aber wer hat keine Tugend nit,
Nicht Zucht, Scham, Ehr', noch gute Sitt'.
Den halt' ich alles Adels leer,
Und wenn ein Fürst sein Vater wär'.
Adel allein bei Tugend steht,
Aus Tugend aller Adel geht. –
Desgleichen will Mancher Doctor sein,
Der nie Clementin noch Sext sah ein,
Nie Institut, Decret, Digest geschaut,
Nur daß er hat 'ne Eselshaut,
Drauf steht sein Recht geschrieben an:
Der Brief zeigt Alles, was er kann,
Und daß er gut sei auf der Pfeif'.
Drum stehet hier Herr Doctor Greif,
Ein sehr gelehrter und witziger Mann,
Der greift einen Jeden beim Ohre an,
Weiß mehr als mancher Doctor kann.
Der ist in vielen Schulen gestanden
In nahen und in fernen Landen,
Wo nie ein Gauch ging aus noch ein,
Der doch mit Gewalt will Doctor sein;
Man muß zu ihnen Herr Doctor sagen,
Dieweil sie rothe Röcke tragen
Und weil ein Aff' ihre Mutter ist.
Ich weiß noch einen, heißt Hans Mist,
Der alle Welt will überreden,
Er sei zu Norwegen und Schweden,
Zu Algier gewesen und zu Granat,
Und wo der Pfeffer wächst und staht;
Der doch nie kam so weit hinaus:
Hätt' seine Mutter daheim zu Haus
Pfannkuchen oder Würst gebachen,
Er hätt's geschmeckt und hören krachen.
Des Rühmens ist auf Erden so viel,
Daß es nicht kennet Zeit noch Ziel,
Denn jedem Narren das gebrist,
Daß er sein will, was er nicht ist.
Brant, Sebastian: Das Narrenschiff. Leipzig [1877], S. 141-144.