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Себастьян БрантDAS NARRENSCHIFF. 66 ALLER LÄNDER KUNDE.

Ich halt' auch den nicht für ganz weis...
8 мин.
30
немецкий
Wer ausmißt Himmel, Erd' und Meere
Und darin sucht Lust, Freud' und Lehre,
Der schau', daß er dem Narren wehre.

Ein Narr mißt mit einem Zirkel die auf den Boden gezeichnete, im Weltmeer schwimmende Erdscheibe aus. Ein andrer sieht hinter ihm über die Mauer und scheint ihn zu verspotten.
Ich halt' auch den nicht für ganz weis,
Der allen Sinn legt, allen Fleiß,
Wie er erkunde Städt' und Land,
Und nimmt den Zirkel in die Hand,
Daß er dadurch berichtet werde,
Wie breit, wie lang, wie weit die Erde,
Wie tief und fern sich zieh' das Meer,
Was unterstütz' die letzte Sphär';
Wie sich das Meer am End' der Welt
Hält, daß es nicht zu Thal abfällt;
Ob um die Welt man fahren kann;
Welch Volk man treffe gradweis an;
Ob's unter unserm Füßen gebe
Auch Leut', ob dorten nichts mehr lebe,
Und wie sie sich dort halten fest,
Daß sie die Erd' nicht luftwärts läßt;
Wie man mit einem Stab schlägt an,
Daß man die Welt durchmessen kann.
Archimenides, der wußte viel,
Der macht' im Sande Kreis und Ziel,
Daß ihm durch Rechnen würd' viel kund,
Und wollt' nicht aufthun seinen Mund;
Er fürchtete, es könnt' sein Hauch
Verwehen seine Kreise auch,
Und eh' er reden wollt' ein Wort,
Ertrug er lieber selbst den Mord.
In Meßkunst war er sehr behende
Und konnt' ausecken nicht sein Ende.
Dikäarchus befliß sich dessen,
Die Höh' der Berge auszumessen
Und fand, daß Pelion höher was
Denn alle Berge, die er maß;
Doch maß er nicht mit seiner Hand
Die Alpen hoch im Schweizerland,
Und maß auch nicht, wie tief das Loch,
Da er hin mußt' und sitzet noch.
Ptolemäus wußte auf den Grad,
Welch Läng' und Breit' das Erdreich hat;
Die Läng' zieht er vom Orient
Und endet sie im Occident,
Daß hundertachtzig Grad er macht,
Sechzig und drei gen Mitternacht
Die Breite vom Aequinoctial;
Nach Mittag hin ist sie mehr schmal:
Er findet fünfundzwanzig Grad
Des Lands, so man erkundet hat.
Das rechnet Plinius schrittweis aus,
Und Strabo machte Meilen draus.
Doch hat man noch gefunden viele
Der Länder hinter Norwegen und Thyle:
Wie Island und Pylappenland,
Die vordem man noch nicht gekannt.
Man hat seitdem von Portugal
Und von Hispanien überall
Goldinseln gefunden und nackte Leut',
Von denen gewußt man keinen Deut.
Marinus hat nach dem Meer die Welt
Berechnet und drin sehr gefehlt;
Plinius, der weise Meiner, spricht,
Es zeuge von Verständniß nicht,
Wolle man die Größe der Welt verstehn
Und drüber hinaus vorzeitig gehn
Und rechnen weit bis hinter's Meer.
Denn Menschengeist irrt darin sehr,
Daß er solches berechnet alle Zeit
Und weiß mit eignem Maß nicht Bescheid
Und meint, die Dinge zu verstehn,
Welche die Welt nie in sich gesehn.
Herkules soll haben ins Meer
Gesetzt zwei eherne Säulen schwer,
Die eine, wo Afrika begann,
Die andre fängt Europa an;
Er hatte wol Acht auf das Ende der Erd',
Und wußt' nicht, was ihm für ein Ende bescheert,
Denn der kein Wunderwerk nahm in Acht,
Der ward durch Frauenlist umgebracht.
Bacchus zog um mit großem Heer
Durch die Lande der Welt und durch das Meer;
Es war sein Vorsatz ganz allein,
Daß Jeder lernte trinken Wein,
Und wo's nicht Wein gab oder Reben,
Lehr't er bei Bier und Met zu leben.
Silenus blieb auch nicht zu Haus,
Fuhr mit im Narrenschiffe aus
Und sonst Gesindel und Metzen viel
Mit großer Freud' und Saitenspiel.
Er mocht' ein Trunkenbold wol sein,
Daß ihm so wohl war bei dem Wein.
Hätt' er mit Arbeit sich beschwert,
Er hätte allein das Trinken gelehrt.
Man treibt mit Prassen noch viel Schande;
Jetzt fährt er erst recht um im Lande
Und macht gar Manchen im Praß verrucht,
Deß Vater nie den Wein versucht.
Aber was ist dem Bacchus geschehn?
Er mußte zuletzt von den Seinen gehn
Und fahren hin, wo er jetzt trinkt,
Was ihm mehr Durst als Freude bringt,
Wiewol die Heiden ihn dennoch
Verehrten als Gott und hielten hoch,
Von denen gekommen ist hernach,
Daß man feiert im Land den Bacchustag,
Und hat nach dem Tode dem Ehre erdacht,
Der uns viel Uebles nur gebracht.
Die bösen Gewohnheiten währen lang,
Was Unrecht ist, nimmt Ueberhang,
Denn stets der Teufel dazu treibt,
Daß man in seinem Dienste bleibt. –
Doch will ich jetzo wiederum kommen
Auf das, was ich mir vorgenommen;
Welche Noth wohnt einem Menschen bei,
Daß er Größres suche, als er sei?
Er weiß nicht, was ihm Guts entspringe,
Wenn er erfährt so hohe Dinge
Und seines Todes Zeit nicht kennt,
Die wie ein Schatten hinnen rennt.
Ist auch die Kunst gewiß und wahr,
So ist das doch ein großer Narr,
Der es im Sinn wägt so geringe,
Daß er will wissen fremde Dinge
Und die erkennen eigentlich
Und kann doch nicht erkennen sich,
Denkt auch nicht, wie er sich belehre.
Er sucht nur Erdenruhm und Ehre
Und denkt nicht an das ewige Reich,
Wie weit das ist und wundergleich,
Drin Wohnungen so viele sind.
Das Irdische macht Narren blind,
Die suchen Freud' und Lust darin,
Zum Schaden mehr als zum Gewinn.
Viel haben erkundet fremdes Land,
Von denen Keiner sich selbst erkannt.
Wer klug wird, wie Ulysses ward,
Der lange fuhr auf seiner Fahrt
Und sah viel Land, Leut', Städt' und Meere
Und mehrte in sich gute Lehre;
Oder wie that Pythagoras,
Der aus Memphis geboren was,
Oder wie Plato durch Egypten kam,
Den Lauf dann nach Italien nahm,
Damit er täglich sich belehrte
Und seine Kunst und Weisheit mehrte;
Wie Apollonius durchfuhr die Land',
Wo ihm Gelehrte waren bekannt
Und suchte sie auf und stellt' ihnen nach,
Daß er würd' weiser jeden Tag,
Und überall fand, was ihn belehrte,
Womit er seine Kunst vermehrte, –
Wer solche Reisen und Fahrten thät,
Daß er wüchse in seiner Weisheit stät,
Dem wäre zu übersehen dies,
Wiewol ich es nicht gänzlich pries,
Denn wer den Sinn aufs Reisen stellt,
Dient nicht nur Gott, – dient auch der Welt.
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Brant, Sebastian: Das Narrenschiff. Leipzig [1877], S. 119-123.

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