Себастьян БрантDAS NARRENSCHIFF. 56 VOM ENDE DER GEWALT.
Man findet Narren mannigfalt...
Nie Macht so groß auf Erden kam,
Die nicht zu Zeiten End' auch nahm,
Wenn ihr das Ziel und Stündlein kam.
Das Bild ist dasselbe wie zu Kap. 37. Sehr charakteristisch ist die Haltung der drei Narren auf dem Glücksrade, von denen der eine mühsam aufwärts strebt, der zweite auf der Höhe frohlockt und einen Reifen in der Schwebe hält, der dritte dagegen abwärts fahrend sich mit Händen und Füßen festhält.
Man findet Narren mannigfalt,
Die sich verlassen auf Gewalt,
Als ob sie ewig sollte stehn,
Die doch wie Schnee pflegt zu zergehn.
Der Kaiser Julius war genug
Wol reich und stark, an Sinnen klug,
Eh denn er mit Gewalt gebracht
An sich der Römer Reich und Macht.
Als er das Scepter an sich nahm,
Ihm Sorg' und Angst in Haufen kam;
Da war er nicht an Rath so klug:
Denn bald darob man todt ihn schlug.
Darius hatte reiches Land
Und konnte bleiben heim ohn' Schand'
Und hätt' behalten Gut und Ehr';
Doch weil er wollte suchen mehr
Und haben das, was sein nicht war,
Verlor er auch das Seine gar.
Und Xerxes bracht' nach Griechenland
Des Volks soviel wie Meeressand,
Das Meer mit Schiffen er bedeckte,
Daß er die ganze Welt erschreckte.
Und doch was war's, das er gewann?
Er griff Athen so grausig an,
Wie sonst der Löwe packt ein Huhn
Und – floh doch, wie die Hasen thun.
Als König Nabuchdonosor
Mehr Glück zufiel als je zuvor
Und er Arfaxat überwand,
Wollt' er erst haben alle Land!
Er setzte Gottes Macht sich für
Und – ward verwandelt in ein Thier.
Gar leicht ich Euch noch viele nennte
Aus dem alten und neuen Testamente,
Aber es dünkt mich das nicht noth.
Gar wenig sind in Ruhe todt
Und sterben auf dem eignen Bette,
Die man sonst nicht getödtet hätte.
Drum merket ihr Gewaltigen all:
Ihr sitzet zwar in Glückes Fall,
So seid nun witzig und achtet aufs Ende,
Daß Gott das Rad Euch nicht umwende!
Fürchtet den Herrn und dienet ihm!
Wenn Euch sein Zorn ergreift und Grimm,
Der kürzlich wird entflammen sehr,
Wird Eure Gewalt nicht bleiben mehr.
Sie wird vielmehr mit Euch zergehn;
Ixîons Rad bleibt nimmer stehn,
Denn es läuft um von Winden klein,
Drum selig, wer hofft auf Gott allein!
Es fällt und bleibt nicht in der Höhe
Der Stein, den wälzt mit Sorg' und Wehe
Den Berg auf Sisyphus, der Narr.
Glück und Gewalt währt nicht viel Jahr',
Denn nach der Alten Spruch und Sage
Wächst Haar und Unglück alle Tage.
Unrechte Macht nimmt gründlich ab,
Das zeigt mit Jezabel Ahab,
Und hat ein Herr sonst keinen Feind,
Muß er befürchten sein Gesind
Und die ihm nächste Freunde sind.
Die bringen ihn um seine Macht;
So hat des Herren Reich gebracht
An sich Zambri durch Mord und Schlag
Und ward ein Herr auf sieben Tag'.
Held Alexander die Welt bezwang:
Ein Diener vergab ihn mit einem Trank.
Darius floh und war ohn' Noth:
Sein Diener Bessus stach ihn todt.
So endet Gewalt und großes Gut,
Daß Cyrus trank sein eigen Blut.
Auf Erden Macht so hoch nie kam,
Die nicht ein End' mit Trauern nahm.
Der Freunde Stärke Keinen hegte,
Daß er sich einen Tag zulegte
Und sicher wär' einen Augenblick,
Daß er sollt' haben Macht und Glück.
Denn was die Welt aufs Höchste schätzt,
Das wird verbittert doch zuletzt;
Und wer sich stolz erhob und stand,
Der schau' und gleit' nicht auf den Sand,
Daß ihm nicht werde Spott und Schand'.
So ist es närrisch um Macht bestellt,
Da man sie selten lange behält!
Und so ich beschaue die Reiche daher:
Assyrien, Persien und andre mehr,
Macedonien, Medien, Griechenland,
Karthago und der Römer Stand,
So haben sie all gehabt ihr Ziel.
Das römische Reich bleibt, so Gott will;
Der hat gesetzt ihm Maß und Zeit,
Der geb', es werd' so groß und weit,
Daß ihm sein unterthan all Land',
Wie es nach Fug und Recht bewandt!
Brant, Sebastian: Das Narrenschiff. Leipzig [1877], S. 97-100.