Себастьян БрантDAS NARRENSCHIFF. 102 VON FALSCHHEIT UND BETRUG.
Betrüger sind und Fälscher viel...
Man spürt wol in der Alchemey
Und in des Weines Arzenei,
Welch Lug und Trug auf Erden sei.
In einem Laboratorium sind zwei Gelehrte, von denen einer ein Narr, mit Alchemie beschäftigt, während ein zweiter Narr in einem Weinfasse mit einem Knochen rührt.
Betrüger sind und Fälscher viel,
Die passen recht zum Narrenspiel;
Es sind jetzt falsch: Lieb', Rath, Freund', Geld,
Der Untreu voll ist jetzt die Welt;
Die Bruderlieb' ist todt und blind,
Auf Trug und Blendwerk jeder sinnt;
Man will nur ohn' Verlust erwerben,
Wenn Hundert auch dabei verderben.
Kein Ehrbarkeit sieht man mehr an,
Man läßt es über die Seele gahn,
Wenn eines Dings man nur wird ledig;
Wer drüber stirbt, – dem sei Gott gnädig!
Man läßt den Wein nicht rein mehr bleiben:
Viel Fälschung thut man mit ihm treiben:
Salpeter, Schwefel, Todtenbein,
Pottasche, Senf, Milch, Kraut unrein
Stößt man durchs Spundloch in das Faß.
Die schwangern Frauen trinken das,
So daß vorzeitig sie gebären,
Elenden Anblick uns gewähren.
Es kommt viel Krankheit auch daraus,
Daß Mancher fährt ins Todtenhaus.
Man thut ein lahm Roß noch beschlagen,
Dem doch gebührt der Schinderwagen;
Daß muß noch lernen auf Filzen stehn,
Als sollt' es Nachts zur Mette gehn,
Und hat es vor Mangel Lähmung und Spat,
Muß es doch kosten jetzt viel Geld,
Damit betrogen werde die Welt.
Man hat klein Maß und klein Gewicht,
Die Ellen sind kurz zugericht't,
Der Laden muß ganz finster sein,
Daß man nicht seh' des Tuches Schein,
Und während Einer sieht sich an
Die Narrn, die auf dem Laden stahn,
Gibt man der Wage einen Druck,
Daß sie sich zu der Erden buck',
Und fragt, wieviel der Käufer heische?
Den Daumen wiegt man zu dem Fleische.
Den Weg man jetzt zur Furche schlägt;
Die alte Münz' ist blind und schlecht
Und könnt' nicht lange Zeit bestehn,
Wär' nicht ein Zusatz ihr geschehn.
Die Münze schwächt sich nicht selbst klein,
Falsch Geld ist worden jetzt gemein
Und falscher Rath. Als Geistlichkeit
Macht sich Mönch, Beghin und Lollhart breit:
Viel Wölfe gehn in Schafeskleid.
Damit ich nicht vergess' hiebei
Den großen Trug der Alchemey,
Die Gold und Silber hat gemacht,
Das man ins Stöcklein eh gebracht.
Sie gaukeln und betrügen grob;
Sie zeigen vorher eine Prob',
So wird bald eine Unke draus.
Der Guckaus Manchen treibt vom Haus.
Wer vordem sanft und trocken saß,
Der stößt sein Gut ins Affenglas,
Bis er's zu Pulver so verbrennt,
Daß er sich selber nicht mehr kennt.
Viel haben sich also verdorben,
Gar Wen'ge haben Gut erworben,
Denn Aristoteles schon spricht:
"Der Dinge Wesen wechselt nicht!"
Viel fallen schwer in diese Sucht
Und haben doch draus wenig Frucht.
Man richtet Kupfer zu für Gold,
Mausdreck man untern Pfeffer rollt;
Man kann jetzt alles Pelzwerk färben
Und thut es auf das Schlechtste gerben,
Daß es behält gar wenig Haar,
Wenn man's kaum trägt ein Vierteljahr.
Zeismäuse geben Bisam viel,
Der stinkt dann ohne Maß und Ziel;
Die faulen Häringe man mischt
Und sie als frische auf dann tischt.
All Gassen sind Verkäufer voll,
Denn Trödel treiben schmeckt gar wohl,
Da Alt und Neu man mengen kann.
Mit Täuschung geht um Jedermann:
Kein Kaufmannsgut steht fest im Werth,
Ein Jeder nur Trug zu treiben begehrt,
Daß er des Krams mög' kommen ab,
Ob der auch Gall' und Spatbein hab'.
Selig fürwahr ist jetzo der Mann,
Der sich vor Falschheit hüten kann!
Aber das Kind trügt Eltern und Mage,
Der Vater thut der Sippschaft nicht Frage,
Wirth trügt den Gast und Gast den Wirth.
Untreu und Trug man überall spürt.
Das paßt zu des Antichristen Lauf:
Der fälscht mit Trug all seinen Kauf,
Denn was er denkt, heißt, thut und lehrt,
Ist nichts als falsch, untreu, verkehrt.
Brant, Sebastian: Das Narrenschiff. Leipzig [1877], S. 195-198.