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Христоф Август ТиджURANIA. 6. GESANG. FREIHEIT. WIEDERSEHN

Auf dieser Höhe, Freund, laß endlich deinen Späher...
42 мин.
55
немецкий
Auf dieser Höhe, Freund, laß endlich deinen Späher
Vom Diesseit noch einmal ins heitre Jenseit schaun,
Dem müden Wandrer gleich, der, seinem Ziele näher,
Vom letzten Hügel blickt nach zwei bekränzten Aun!
Auf dieser Höhe, wo der Weg sich scheidet,
Wo die Vergötterung des Zufalls sich entkleidet:
Hier ist es, wo das Reich der freien Kraft beginnt.
Mag die Naturwelt dort an Not und Zwang erinnern:
Die Welt der Freiheit trägt der Mensch in seinem Innern;
Und Tugend ist der Freiheit Götterkind.

Dort ist der Mensch ein Blatt, das sich entfaltet,
Und grünt, und willenlos zerfällt;
Hier eine Kraft, die selbstgebietend waltet,
Der Bürger einer Geisterwelt.
Zwei Welten schlingen dann den wunderbaren Knoten
Des Rätsels, das verhüllt in unserm Wesen liegt;
Und von der Welt der Kraft, zum Ringen aufgeboten,
Bewähret sich der Held, ob er auch schwankend siegt.

Im Götterhimmel nicht, nur im Gebiet der Sünde
Stellt sich die Tugend uns in ihrem Glanze dar.
Die Ruhe weicht dem Zwist, daß sich die Kraft verkünde;
Des Zwanges Druck macht uns die Freiheit offenbar;
Er reißt uns in den Streit, aus welchem immer freier,
Und immer siegender, die Kraft des Geistes tritt;
Des Feindes Macht verherrlicht erst die Feier
Des Sieges, den der Held erstritt.

Wir sind nicht, um zu sein; wir werden, um zu werden.
Die Ströme rauschen fort; die Sonnen und die Erden,
Sie gehn nach ewigen Gesetzen ihren Pfad.
Kein Wollen dort – sie sind. Im Menschen lebt ein Wille;
Er selbst ist sein Gesetz, ein Sohn der eignen Fülle;
Er ist durch die Natur, und lebt durch seine That;
Wir werden das, was wir zu werden lernten;
Der Mensch ist seine Frucht aus seiner eignen Saat;
Was Menschen säen, werden Götter ernten:
Gott spricht durch seine Welt, der Mensch durch seine That.

Drum, wo wir stehn: wir stehn an einer heil'gen Stelle,
Die zu dem seligen Beruf uns weiht,
Zu schöpfen aus der reinen Quelle
Der freien Lebensherrlichkeit.
Die Quelle wird zum Strom, und was an ihm gedeiht,
Zum Leben hier gedeiht, geht nicht in ihm verloren;
Er trägt es hin zu einem sichern Port. –
Vermittlerinnen sind die Horen.
So wunderbar wird aus dem Hier das Dort
Mit Mutterähnlichkeit geboren.

Das Dasein ist ein unbebautes Land,
Vom Lufthauch überweht, vom Sonnenstrahl umlodert;
Und diese tote Wildnis fodert
Das Leben erst von unsrer Hand.
Wer Dasein nur begehrt, den ruft vergebens
Der laute Stundenschlag zum heiligsten Gewinn;
Er lebt vom bloßen Pflichtteil seines Lebens,
Und giebt die volle Erbschaft hin.
Er schleppt, des Staubes Unterjochter,
Ein wenig Staub, durch Raum und Zeit.
Nur Thätigkeit, entschloßne Thätigkeit,
Die heitre, freie Lebenstochter,
Sie hält ihn fest, den Geist der Stunden, die entflohn.
Wie jene Göttin ihren Sohn,1
Taucht sie das Leben in die Fluten
Der weihenden Unsterblichkeit;
Sie macht zur Ewigkeit die Zeit,
Und rettet sterbende Minuten.

So laß dann in der Gegenwart
Die hehre Zukunft uns umfangen!
Sie waltet hier schon, wo die Seele, noch befangen,
In einem engen Kerker harrt,
Der höhern Freiheit harrt, zu welcher wir berufen
Und innig eingeweiht sind;
Der Freiheit, welche hier auf den Vollendungsstufen
Der Erdenpilgerschaft beginnt.
Zum freien Manne reift das Kind.

Einst herrschte wild der Trieb; er brauste durch die Kreise,
Durchs immer weitere Gebiet des Lebens hin,
Und der Instinkt gebot; doch regte leis' und leise
Sich in der Willkür schon der sanftre Menschensinn.
Und aus der Willkür trat der Wille,
Der Mensch mit der Vernunft, der freie Mensch, hervor,
Der Wildnis gleich, die sich vor ihm in eine stille,
Sanft aufgeblühte Flur verlor.
Da ward das Recht. Es stieg empor zum Throne;
Wie ein Gewissen, sprach's zum Volke dort herab;
Und die Vernunft gebot: sie war es, die die Krone
Der Majestät dem Rechte gab.
Nun ward es hell in jenen dunkeln Thalen,
Wo die Vernunft den wilden Trieb besprach;
Sie war das Licht, das sich in tausend Strahlen,
In tausend Wunderfarben brach.

Die freie Geisteskraft, die ringend sich entfaltet,
Erstrebt' in Rom ein andres Ziel,
Als das, wonach Karthago sich gestaltet.
Der Stier lebt' einst, wie jetzt; am Euphrat, wie am Nil.

Schau hin nach jenen hochberühmten Trümmern
Des Kapitols! Da trauert längst verwaist
Von Tagen, die nicht mehr den Erdkreis überschimmern,
Ein furchtbar riesenhafter Geist.
Wir fühlen noch ein schreckliches Erinnern;
Allmächtig faßt er uns in jeder großen That;
Vom Menschen ging er aus, von seinem Innern;
Und strahlte nur zurück aus seinem Römerstaat.
Erfüllt, ergriffen war von ihm die ganze Seele.
So stürzt ein Curtius2 sich in die Flammenhöhle;
So geht ein Regulus3 – was auch Karthago droht –
Er geht, daß er das Wort des Römers nicht verletze,
Treu seinem innersten Gesetze,
In einen schaudervollen Tod.
Roms Hoheit sank, wie die, von Gift befallne, Blüte;
Und frei zu sein, zu frech, zu niedrig, zu verrucht. –
Die Freiheit flieht den Markt, und weihet im Gemüte
Des Weisen ihren Thron, wenn sie die Welt besucht.

Doch, was empört ein Volk, dem Herrscherthron zu fluchen?
Was reizt die Wut, daß sie das Heiligste nicht schont,
Daß sie das graue Recht entthront?
Die Freiheit, die wir draußen suchen,
Und die in unserm Innern wohnt.
O Gallien, du hast umsonst geschworen,
Ein freies Volk zu sein! umsonst gestürzt den Thron!
Die Freiheit, welche du zur Göttin dir erkoren,
Aus nervenloser Brust war sie schon längst entflohn!

Vollendet waltet sie in jenem Urgebilde,
Das vor der Ahnung schwebt; und unser Geist empfing
Nur einen leisen Strahl aus ihrem Lichtgefilde,
Der, wie ein Mond, hier auf in unserm Leben ging.
Dort leuchtet sie aus ihrer höchsten Fülle,
Wie auf ein weites Meer das Sonnenlicht, herab.
Auf diesem Meer – es ist des Menschen Wille –
Wogt Tod und Leben auf und ab.
Sanft wallend nimmt es das, mit dem azurnen Schleier
Umwebte, Bild des reinen Himmels auf;
Dann aber steigen Ungeheuer
An seinem tiefen Schoß herauf.
Weit schattende Gestalten schreiten
Aus diesem Meer hervor – es sind die Zeiten –
Sie treten auf: hier Altes zu erneun,
Dort neues Heil und Unheil auszustreun.
Bald säuseln sie durch die Olivenblätter,
Die aus des Friedens Kranz holdselig niederwehn;
Bald rauschen sie dahin, wie dunkle Todesgötter:
Und Völker müssen untergehn.

Ich schau' hinaus – und, ach! von öden Fluren
Begegnet meinem Blick ein dunkler Geist,
Ein Schatten, welcher Elend heißt,
Ein Nachtgespenst, das auf die Spuren,
Wo die Verheerung zog, mit Graun hinunter weist.
Dort weist es hin, dort rauchen noch die Trümmer
Des Waldes, den die Flamme fraß!
Ich horche hin – und seufzendes Gewimmer
Umklagt die Stellen jetzt, wo einst der Friede saß.
Der Frühling kehrt zurück zu seinem Traubenhügel.
Kennt er die Stätte noch? Der Raum ist öd' und stumm!
Da zog ein Rauchgewölk mit schwarzem Rabenflügel;
Da riß die Wut den Herd der kleinen Laren4 um!
Wo zwischen Lindengrün, wie unter Friedenspalmen,
Ein Tempel Gottes sich erhob,
Das ist kein Sabbath mehr, und keine Feierpsalmen
Verkünden dort des Weltengeistes Lob!

Ach! welcher Gott verhing der Erde diese Strafen?
Kein Gott! der Mensch – sein Wahn schuf diese Wüstenein.
Den Menschen drängt der Mensch. Wer wird den armen Sklaven
Der wilden Leidenschaft befrein?
Weh! mich ergreifen alle Schauer
Der Gegend, wo der Friede schwand!
Laß los! O, laß mich los, du Bild der Trauer!
Du, Hoffnung, reich' mir deine Engelhand,
Und führe mich durch sanftre Gänge,
Dahin, wo Liebe wohnt und Friedenslüfte wehn;
Und laß kein anderes Gepränge,
Als das Gefolg der Menschenhuld, mich sehn!

Und du, Gerechtigkeit, zerbrich die Scheidewände!
Verbanne den verruchten Geist,
Der wild und grausam die verschlungnen Hände
Der Menschen auseinander reißt!
Gieb, daß der Hüttner diesseits seines Flusses
Den Hüttner jenseit lieben darf;
Und donnre mit dem Fluch des Blutvergusses
Den Fürsten an, der kalt ein Friedenswort verwarf!

Schau hin! wie tief dein Blick in die Vergangenheiten
Hinunter späht: aus jeder Wüste starrt
Dich noch ein Denkmal an von schaudervollen Zeiten,
Und Zukunft ist ein Kind der Gegenwart.
Was immer war, wird immer sein hienieden:
Warum empört uns noch die grause Heldenzunft?
Warum begeistert uns, wie Frühlingswiederkunft,
Der süße Traum von einem ew'gen Frieden? –
Das ist die Stimme der Vernunft,
Die nimmer schweigt, die, trotz dem wilden Rufe
Der Sinnenreize, frei uns werden hieß.
Wir stehn hier auf der ersten Stufe,
Wo seiner Vormundschaft uns der Instinkt entließ,
Und unsern Lebensgang an die Vernunft verwies.

Wohl oft bespricht, im Druck und Drang des Lebens,
Die Stimme der Vernunft vergebens
Den, seiner unbewachten Haft
Entrißnen, Sturm der Leidenschaft!
Da stürzet dann der Mensch in frevelndes Beginnen!
Wie unaufhaltsam stürzt er dem Verbrechen zu,
Wenn Aufruhr ist in allen Sinnen,
Wenn Sturm von außen, Sturm von innen
Das Leben aufjagt aus des Lebens Ruh'! –
So wär' im warmen Blut ein Funken Lebensfeuer
Mehr oder minder, jene Kraft,
Die aus dem Menschen dort ein Ungeheuer,
Und hier ein menschlich Wesen schafft? –
O das sei fern! – Du hörst den Donner rollen:
Sein Flammenzorn ist sich des Zornes nicht bewußt.
Natur heißt sein Gesetz; nur in des Menschen Brust,
Da herrscht ein Selbstgebot, ein Geist, ein eignes Wollen.
"Wie?" fragst du klagend, "ist das Los des Menschen Krieg?
Daß nimmer Fried' um ihn, nicht in ihm Friede walte?" –
Der Kampf ist sein Geschäft, daß sich die Kraft entfalte;
Beruf zu schwerem Kampf ist Ruf zu größerm Sieg.
Sieh dort die heiligen Bekenner
Des christlichen Paniers auf Felsenboden stehn!
Kein Sturm der Wut kann sie darnieder wehn;
Sie stehn auf sich, die hohen, freien Männer! –
Was Menschen konnten, kann der Mensch der freien Kraft:
Der Marter trotzten sie – wir nicht der Leidenschaft?

Der Sturm des Lebens, Freund, trägt Kronen auf den Schwingen,
Und führet über unserm Haupt
Hinweg den Siegerschmuck, so wir ihn nicht erringen.
Wer sich der Kraft im Dienst der Schwäche nicht beraubt,
Und vor dem Kampfe mit sich selbst nicht zittert,
Nur der ist frei – frei, wenn er unerschüttert
Verwirft, was die Vernunft verwarf.
Die Thorheit wähnt sich frei, wenn sie das Unrecht darf.
Das Unrecht dürfen, und nicht wollen;
Es fliehn, auch wenn es leuchtend glänzt:
Das ist der hohe Sieg, nach dem wir ringen sollen,
Ob ihn auch keine Hand bekränzt.

Wohl reizend ist es, hoch im Licht einher zu wandeln,
Vergöttert dazustehn vor seiner Welt;
Doch leichter ist es, groß, als recht zu handeln.
Dort siegt der Ruhm, hier siegt der Held.
Der eitle Wahn küßt seine goldnen Ketten;
Das Reich der Kraft ist ihm ein fremdes Land.
Der freie Geist wird seine Tugend retten,
Und fiel ihm auch darob das Leben aus der Hand.
Nur recht thun, und nichts anders wollen,
Ist, Tugend, dein Gesetz, und heilig ist die Pflicht.
Mag uns das Rad des Schicksals niederrollen:
Die Welt in uns berührt es nicht.

Die List kann einen Thron erringen;
Es sei die Huldigung der halben Welt ihr Raub!
Wie niedrig flattern ihre Schwingen
Im Dienst der Sinnlichkeit um einen Hügel Staub!
Oktavius entrann der Tyrannei des Feindes;5
Wird er der Tyrannei, die in ihm tobt, entgehn?
Sie schreit ihm zu. "Verkauf das Leben deines Freundes,
Um auf dem Nacken Roms zu stehn!" –
Er sträubt sich noch; er kämpft noch, ihn zu retten;
Jedoch die Herrschaft hält ihn fest an ihren Ketten:
Und Tullius muß untergehn!
Ist denn August so arm, daß er, zu seinem Glücke,
Die sieben Hügel braucht? – Er opfert fremder Wut
Sein heiligstes Gefühl; mit weggewandtem Blicke
Vergießt der feile Sklav der edlen Römer Blut.
Noch elendvoller ließ dort Philipp6, aus den Hallen
Der Macht, sein Herrscherwort von Thal zu Thal,
Von Fels zu Felsen hin, durch Meer und Länder schallen.
Gebietend leuchtete, mit hellem Doppelstrahl,
Ein zwiefach Diadem an seinem Haupte! –
Sein Auge nie in Ruh'! sein Antlitz kalt und bleich!
Er, der sein Volk erdrückt', und fremde Freiheit raubte,
Er raubte Völker arm, und raubte sich nicht reich,
Es liegt, wie Mitternacht, Mord liegt auf seiner Seele,
In der, wie ein Gespenst in einer schwarzen Höhle,
Der Geist der Sünde schleicht; der Finstre horcht und lauscht
Auf jeden Schmeichelton, der seine Qual berauscht. –
Mag er mit Majestät und Schrecken sich umpflanzen:
Er ist ein Sklav der Furcht, wie hoch er sich auch stellt.
Er baute selbst, aus starren Lanzen,
Den Kerker auf, der ihn gefangen hält.
Da schleudern Furcht und Wut, aus einer engen Ritze
Der Eisenmauer, scheu, verderbenvolle Blitze
Hinaus in die, von ihm getrennte, Welt.
Ob auch das Glück an ihn sein Füllhorn ganz vergeude:
Die Wonn' entflieht aus seiner öden Brust.
So elend ist die Macht! Doch er gebietet Freude –
Erwärmte sein Gemüt der Taumel fremder Lust? –
Betäub', entzück' ihn dann der Siegespomp! – Ein dumpfes,
Verwünschendes Geheul durchschreit, empört,
Die rasende Vergöttrung des Triumphes,
Die er – damit er sich nicht höre – gierig hört.
Erschrocken ist er, mit sich selbst zu sprechen;
Das Unheil stößt ihn fort; kein Ausweg ist mehr sein;
Ihn faßte, mit der Hölle Pein,
Ihn faßte das Gericht, zu ewigem Verbrechen
So rettungslos verdammt zu sein.
Ha! welcher Fluch verschwur ihn dem Verhängnis?
Nach Freiheit atmet er. Er flieht – wohin er tritt:
Das kalte, eiserne Gefängnis
Der Lanzenwache nimmt er mit.
So fürchterlich allein, trotz seinem Dienerschwarme!
O, keine Brust, an der sein starres Herz erwarme! –
Auf! lüge dann, du stolze Leidenschaft,
Ihm Hoheit vor und Macht – die hunderttausend Arme
Von Sklaven nennt er schon vermessen seine Kraft. –

Treu, wie die Tugend, hält der Frevel sein Versprechen;
Was Leidenschaft gefält, gedeiht nur im Verbrechen;
Und aus Verbrechen reift die innre Sklaverei.
Wenn er kein Weiser ist, so ist kein König frei.
Die innre Hoheit lebt von ihrer eignen Fülle;
Sie selbst, und nur sie selbst, ist ihr Gewinn.
Die Weisheit ist, wie still sich auch ihr Gang verhülle,
Reich von Geburt; die List ist eine Bettlerin!

Laß immerhin die Grübler streiten!
Wer recht thut, der ist frei, um, zwischen Schmerz und Lust,
Zur Freiheit kämpfend fortzuschreiten.
Dies zeugt das Hochgefühl in jeder Menschenbrust;
Und dieses nur bedarf der Pflege,
Nicht jener Trieb, der sucht, was die Natur verheißt.
Recht hat der Sinnentrieb, recht thun geziemt dem Geist:
Der Halbgott steht am Scheidewege.

Nimm weg die freie Kraft – und wag's, den Friedensbruch,
Der ewig uns mit uns entzweiet, zu entwirren!
Dann ist der Mensch ein Widerspruch,
Ein Tier ist er, und doch verdammt zu irren!
Dann sprich, was will das gaukelnde Phantom
Der Tugend dort, mit seiner Schattenwürde? –
Und warum folgen wir nicht ruhiger dem Strom
Der Dinge, der uns trägt, wie eine leichte Bürde?

Das Tier weiß, was es will; der Herr des Tieres nur
Betritt mit schwankem Fuß die Pfade, die er wandelt.
Warum? – Es ist der Mensch, der in dem Menschen handelt;
Im Tiere waltet die Natur.
Das Tier lebt immer jetzt, der Mensch lebt immer künftig.
Das Tier ist halb vernünftig durch Instinkt;
Indes der Mensch, halb unvernünftig,
Herab von seiner Würde sinkt.

Die Weltnatur ist nie mit sich im Widerstreite;
Doch warum ist der Mensch von heute
Nicht mehr der Mensch, der er noch gestern war? –
Die Freiheit leuchtet dunkelklar
In seinem Willen auf; er will, und will doch nimmer.
Das kaum gewählte Hier verwirft er, wählt das Dort;
Der Wahrheit folgt sein Geist, sein Herz dem eiteln Schimmer;
Ihn drängt der Schmerz, ihn lockt die Wonne fort.
Verdräng' ihn auch der Schmerz, verlock' ihn auch die Wonne:
Nie gänzlich wird in ihm die freie Kraft verdrängt;
Nein! dieser Mond, der tief im innern Leben hängt,
Verfinstern mag er sich: ihn findet seine Sonne.

So ward dem Menschen dann ein freier Lebenssinn;
Was um ihn ist, es ward dem Dasein hingegeben;
Nur an den Menschen gab das Dasein sich dahin.
Es ist der Freiheit fürchterliches Streben,
Das im Gefühl gedrückter Ruh erwacht,
Und plötzlich aufspringt, und das Leben,
Wie Bandendruck, hinschleudert in die Nacht.

Den edeln Jüngling Bion drängte
Sein Wütrich hin zu einer Missethat.
Und als sie schwarz vor seine Seele trat,
Das Dasein sich um ihn verengte,
Kein Retter seine Hand ihm bot:
Da blitzt' es auf in ihm, ein Leben wegzuwerfen,
Das eine Schandthat zu beflecken droht.
Es saust ein Sturm durch alle seine Nerven;
Das Leben kämpft; er wählt, verwirft, und wählt den Tod
Doch will er nicht zu rasch hinaus ins Dunkel greifen;
Nicht Stürme sollen ihn darnieder wehn;
Drei Tage soll die That in ihrer Knospe reifen;
Entschlossen will er untergehn.
Die dritte Nacht erscheint, schwarz wie die dunkle Pforte,
Der sich der Jüngling kämpfend naht.
Sein Tagebuch verriet die letzten Worte,
Womit er seinen finstern Weg betrat.
Es rieseln schaudernde Gefühle
Kalt durch sein Herz. Er blickt in die Natur.
"Noch einmal" – ruft er aus – "hebt aus dem Flutgewühle
Des Lebens sich mein Haupt, und weg ist meine Spur!
Zum letztenmale dann, ihr schönen Himmelsgloben,
Zum letztenmale schaut zu euch hinaus mein Blick!
Der Weltengeist, der liebend euch dort oben
An seinem Herzen trägt, stößt mich auch nicht zurück.
Nichts konnte von der Schmach mich retten,
Nichts, als die Flucht ins sichre Grab.
Noch schuldlos, werf' ich meine Ketten,
Natur, auf deinen Schoß hinab.
Bedecke, Laub der wilden Nessel,
Ein dunkles Leben, voller Schmach!
Bedecke still die That, die eine harte Fessel –
Verzeih, o Gott! – zu früh zerbrach!
Ich zaudre noch? Schon ist die Mitternacht vorüber;
Und immer zaudr' ich noch? – Der Tod – ein finstres Wort!
Ach! fiele noch einmal vom stillen Osten dort
In meine Seel' ein Morgenblick herüber!
Vielleicht – vielleicht – – Sei stark, mein Geist! wir müssen fort!" – –

Den Kampf der Freiheit ehrt, müßt ihr die That auch tadeln!
Sagt, ob ihr ihn verdammen dürft,
Ihn, der im Drang, sein Leben zu entadeln,
Es rettend in den Arm des Todes wirft!

Das Dasein fiel uns zu; die Freiheit wird errungen,
Von der die Tugend lebt. Die Geistesfreiheit siegt,
Besiegt den Lebenstrieb, wenn Hehra, ganz durchdrungen
Von ihrer Mutterpflicht, zu Malis Rettung fliegt.
Du bebst, du schauderst noch vor jener Uferstelle,
Wo kühn hinab die sanfte Hehra sprang,
Und mit dem Tod und der empörten Welle
Um ihre Mali kämpft', und zitternd sie errang.
Die Geistesfreiheit siegt: ein Brutus7 hört die Töne
Der flehenden Natur, doch er erhört sie nicht.
Er fühlt die süßre Pflicht, und folgt der höhern Pflicht,
Wenn er, mit nassem Blick, am Blutaltar die Söhne
Den fordernden Gesetzen opfern läßt. –
Die Geistesfreiheit hebt den Schwung der großen Seele;
Sie feiert in der Nacht der dunkeln Kerkerhöhle
Des Sokrates ein lichtes Götterfest.

Es ist nichts Heiligers und Schöners,
Als ihr Triumph im Kerker des Atheners.
Wie sanft verwarf der Weise Kritons Rat,
Der mit dem Wink zur Flucht in seinen Kerker trat!
"Das Leben, Kriton, wird zu teuer
Dem Unrecht abgekauft. Der Tod ist ein Befreier;
Und Ketten trägt die Frevelthat." –
So spricht der Mann der Kraft, der sich den Göttern naht.
Wie laut und wütend auch die Schlangen draußen zischen:
Um ihn ist alles still, um ihn ist Licht und Ruh'.
Sein Geist ist frei; den friedlichen Gebüschen
Elysiums fliegt seine Seele zu.

Die Freiheit der Vernunft ist unser wahres Leben.
Zur Führerin ist sie, und zu Begleitern sind,
Durch dies verschlungne Labyrinth,
Uns freundliche Gefühle mitgegeben.
Wenn Hoheit unsern Busen hebt:
Dann strömen sie die Glut auf unsre Wangen;
Oft aber fallen sie gefangen
In Netze, die der Reiz der Sinne webt.
Sie dürfen die Vernunft nicht niederschwärmen,
Sie dürfen nur den Keim der Edelthat
Empor zur vollen Reife wärmen;
Und lieblich blüht um sie die heitre Lebenssaat.
Wo ihre Wärme fehlt, da ist die Gegend öder;
Die Distel wuchert nicht hervor;
Doch auch kein Fruchtbaum reift, und die erhabne Ceder
Hebt nie darin ihr Kronenhaupt empor.

Gefühle tanzen gern, im holden Zauberschimmer
Der Phantasie, mit unserm Herzen hin;
Allein die ernstere Vernunft sei immer
Die richtende Gebieterin,
Ihr freies Machtgebot der Leitstern, der uns führet!
Die ganze Menschlichkeit in uns vereine sie
Zu einem Lautenspiel der Lebensmelodie:
Dies ist das Königtum, das der Vernunft gebühret.

Im Menschen wallt und wogt die Flut der Leidenschaft,
In sanft umgrüntes Ufer hingebettet.
Auf einer Insel thront, mit Herrscherwürd' und Kraft,
Die frei gebietende Vernunft, hinaufgerettet,
Zu überschauen dort die Flut und ihren Lauf.
Da herrsche sie herab von ihrer Inselhöhe!
Da herrsche nie die wilde Flut hinauf!
Denn wehe der Vernunft, und ihrer Freiheit wehe,
Wenn jener Wogendrang, empört und ungehemmt,
Das Ufer niederbraust, und die geweihte Höhe
Der unbewachten Insel überschwemmt!
Doch das Vernunftgesetz tritt bald mit hellen Spuren,
Wie eine Säulenschrift, hervor.
Die unter Trümmern sich verlor.
Den Aufruhr drängender Naturen
Hat über sie hinweg die wilde Zeit gespült.
Verschütten konnte sie die Schrift, doch nicht verdrängen.
O, die Erhabenheit begeistert zu Gesängen!
Wie tief hat sie das Volk der Lieder einst gefüllt!
Vom Traum der Sinnlichkeit geschieden,
Und innig doch mit ihm vermählt,
Umstürmt mit ihrem Kampf, umschwebt mit ihrem Frieden
Die hohe Göttlichkeit den mächtigen Alciden,8
Dem sie die Brust zum Hyderkampfe stählt.

Mit dem Hochgefühl des Sehnens,
Das zu Götterthaten weiht,
Flieht der hehre Sohn Alkmenens
In den Schoß der Einsamkeit.
Tief im Herzen warme Schläge,
Fühlt er, was er soll und will;
Und an einem Scheidewege
Steht er, sinnend, plötzlich still.

Dunkler jetzt, und wieder heller
Schwebt ihm fern die Zukunft vor.
Ahnungsvoll, und schnell und schneller
Wallt ihm hoch das Herz empor.
Wird ein Wunder sich entfalten?
Ist ihm eine Gottheit nah?
Zwei erscheinende Gestalten
Stehn vor seinem Blicke da.

Eine der Gestalten leuchtet,
Wie der frische Blumenring,
Der, vom ersten Tau befeuchtet,
Um die junge Tellus9 hing.
"Siehe!" sprach sie, "was die Erde
Süßes hat, ich weih' es dir,
Sohn des Himmels; aber werde
Mein Getreuer, folge mir!" –

Zauber sprühn aus ihren Blicken;
Und ein weicher Schlummerduft
Trägt ein taumelndes Entzücken
Um sie her im Hauch der Lust.
Halb dem Zauber hingegeben,
Hat der Jüngling kaum Gewalt
Seine Blicke zu erheben
Zu der stillern Huldgestalt.

Ruhig naht sie, wie der Friede:
Aber wie mit Schmach bedeckt,
Fühlt sich zitternd der Alcide
Von der Tugend angeschreckt. –
"Keine Freuden goldner Tage,"
Spricht sie, "kann ich dir verleihn.
Rette, kämpfe, dulde, trage!
Deiner würdig, bist du mein.

Siegen ziemt dem Göttersohne;
Sich besiegen aber weiht
Ihm die höchste Strahlenkrone
Himmlischer Unsterblichkeit." –
Und der Jüngling – schöner blühend
Stand er da vor der Natur,
Als er heilig sich und glühend
In die Hand der Tugend schwur.

Seine eigne Flamme dämpfend,
Willig Schwächern unterthan,
Geht der starke Sieger kämpfend
Seine große Heldenbahn.
Ungeheuer kämpft er nieder;
Aber seinem Frieden droht
Eine fürchterlichre Hyder,
Als in Lernas Sumpf, den Tod.

Ach, daß ihn die Tugend warne!
Weh! der freie Sieger fällt
Überwunden in die Garne,
Die der Reiz der Lust ihm stellt.
Friede noch; allein Jole
Tritt ihm in den Heldenlauf,
Und er opfert dem Idole
Seine ganze Hoheit auf.

Wie ein Blitz aus heitrer Bläue,
Stürzt herein das Mißgeschick
Grause That und Schmach und Reue
Hängen an Jolens Blick.
Sieh! er reißt sie, ohn' Erbarmen,
Mit Verrat und Meuchelmord,
Aus des grauen Vaters Armen,
Aus des Bruders Armen fort!

Plötzlich fällt die Eumenide
Des Gewissens ihm ans Herz;
Und der süße Lebensfriede
Wandelt sich in wilden Schmerz.
Schrecklich rafft er ihn zusammen,
Seines Geistes letzten Schwung;
Auf dem Öta in den Flammen
Büßt er die Entgötterung.

Und der Gott erringet wieder,
Was der Erdensohn verlor;
Die Verschattung sinkt darnieder,
Die Verklärung strahlt empor.
Schon der letzte Seufzer dringet
Aus der Sterblichkeit herauf,
Und die freie Seele schwinget
Sich ins Reich der Tugend auf.

So furchtbar dämmert durch die Hülle
Der Sterblichkeit die Götterspur,
Das Licht der tiefen Seelenfülle,
Der Glanz der höheren Natur.
Dem Blicke, welcher sich an dem erhabnen Schimmer
Der Geistesfreiheit selig schaut,
O! wie erscheint ihm hier das Bild der bunten Trümmer,
Womit das Glück ein Glück zusammenbaut!
Der Thronkoloß stürzt ein zur grauen Schäferhürde,
Zum Knabenbau von heut, der morgen schon zerfällt!
Ja, blick' in die Natur, in ihre große Welt,
Und fühle dich in deiner Geisteswürde
Hoch über sie hinausgestellt!

Der Tag verschied, er ging verstummend unter;
Groß ist die stille Welt, die hinter ihm erwacht.
Nun tritt hinaus in diese dunkle Pracht!
Wie feierlich ist sie! wie heilig! Schau hinunter
In diese tiefe Herrlichkeit der Nacht,
Durch welche Sonnen hin, wie Strahlengötter, wandern!
Schau, wie das funkelnde Gewölbe dich umfängt!
Und wie von einem Pol zum andern
Die goldne Weltenkette hängt!
Die Glanzgestalten ziehn still feiernd auf und nieder.
Mißt hier der Raum den Raum? zählt Stunden hier die Zeit?
O, staun' empor! Die Weltunendlichkeit
Streckt tief ins Ewige hinaus die Riesenglieder!
Siehst du den Menschen noch vor dieser Flut des Lichts?
Dies Anschaun drückt, wie eine Bürde,
Den Menschen nieder in ein Nichts.
Was hebt – was rettet ihn? – Die hohe Geisteswürde,
Die stark umfaßt, was sie erkor,
Hebt über Welten ihn empor.
Sie sind die Kette der Naturgewalten,
Und ihr Beruf ist: zu entfalten
Das weite Labyrinth der reichen Ätherflur,
Durch welche freie Geister wandeln.
Der Mensch ist selbst sein Gott, und sein Beruf ist: Handeln.

Das Leben der Vernunft, der Freiheit helle Spur,
Berechtigt ihn, sein Haupt so hoch emporzuheben.
Verwandlung ward der Weltnatur,
Erhebung der Vernunft gegeben.
Wenn tief, und tiefer schon des Lebens Sonne steht:
Dann rettet die Vernunft aus den zerstörten Lauben,
An denen schon die Zeit den letzten Kran verweht,
Sie rettet sich hinauf zu ihrem Glauben,
Der, wie ein junger Held, durch die Verwüstung geht,
Und zu der Tugend spricht: "Dein Kranz wird nicht verwehen;
Du bleibst, ob hinter dir dein Schatten auch verschwand.
Die Tugend kann nicht untergehen,
Die wert des Himmels ist, und keinen Himmel fand." –

Tritt hin zur feierlich-geheimnisvollen Pforte,
Von Hehras Hingang leuchtend noch erhellt!
Da tönen noch die seelenvollen Worte:
"Zum Wiedersehn sei mir gegrüßt, du Geisterwelt!" –
Dies war der letzte Ton von einem schönen Liede,
Das in der zarten Frühlingsblüt' entschlief.
Es war, als ob ein Engeltag verschiede,
Der sanft in seine Ruh' die Abendstille rief. –

Es werde hell um die geliebten Trümmer,
Und träumend sinke die Erinnerung,
Wie eine weiße Nacht voll Mondenschimmer,
Auf jede Stelle deiner Huldigung!
Laß die Vergangenheit – und ob dein Herz auch breche –
Mit allem, was sie war, o laß sie auferstehn,
Daß jeder Nachhall auch zu deinem Herzen spreche:
"Die Tugend kann nicht untergehn!" –
Und führe mich durch all' die reichen Blütengänge
Des schönen Lebens hin, das selig dich umfing!
Es töne, wie ein Laut verhallender Gesänge,
Wo eine schöne That in ihrem Kranze ging!

Die Ruhe schwebe dort, wo Hehra zu dem Harme
Den Frieden in die Hütte trug!
Und heilig sei der Raum, wo sie die offnen Arme
Der Rettung um das tief verirrte Mädchen schlug;
Der Hügel sei geweiht, wo, sanft von Lichtgewölken
Umleuchtet, Hehra ging! geweiht das Ufergras,
Wo sie, umblüht von jungen Angernelken
Und holden Engelkindern, saß!
Und wo sie betete, da winden Epheuranken,
Zur Tempelwölbung, sich am Lindenstamm hinauf!
Da schreck' ein tiefes Graun erschütternde Gedanken
An Gott und Ewigkeit im frechen Sünder auf!
Dir aber säusle von der Lindenkühle
Der Friede zu, der sich in Hehras Seel' ergoß,
Wenn die Begeisterung erhabner Gottgefühle,
Wie Harfenlaut, von ihren Lippen floß!

Ihr ganzes Leben war die sanfte Äolsharfe,
Worin ein zartes Himmelsecho schlief;
Ein Lautenspiel, aus welchem selbst das scharfe,
Verwüstende Gestürm noch Harmonien rief.
Und ihr Verstummen – welch ein ruhiges Verschweben!
O, sanft entschlief ihr Tag; er hatte schön gewacht!
Ein Genius – es war ihr Leben –
Trat leuchtend hin in ihre Nacht.
Du sahst es, wie vor ihm die Pforte
Des Todes schimmerte. Er nahte, wie die Ruh,
Und lächelte, und sprach geweihte Worte,
Sprach einen Engel seinem Himmel zu.

Gefeiert sei, vor allen Tempelstellen,
Der Hügel, wo sie ruht, in seiner Rosenluft!
Ein Himmelsahnen weht in jenem Lindenduft.
O sieh! der Rasen bebt, als schlüg' er Blumenwellen
Empor an die geweihte Gruft.
Und jener Abend, den die Sommerblüte schmückte,
Der, wie ein schlafender, bekränzter Tag,
Auf dessen Antlitz noch ein blasses Lächeln zückte,
Sanft der Natur im Arme lag,
Der Sternenabend – ernst, wie das beseelte Schweigen,
Und herrlich, wie vor Gott verklärte Geister stehn,
Blickt er die Schatten an, die aus den Trauerzweigen
Auf Hehras Hügel niederwehn.
Vor ihm, vor diesem ernsten Zeugen
Befrage dich: Was willst du wiedersehn?
Die Schatten ihrer Seelengüte?
Den Blick, voll Huld und Licht? das Wangenrot, das zart
Aus einem innern Lenz herüber blühte,
Aus dem Gefühl, das von der Ahnung glühte,
Vor welcher sich der Geist der Zukunft offenbart? –
O, alles dies sind Erdengaben!
Ein feiner, innrer Sinn, der hier begraben
In tiefer Hülle lag, wird glorreich auferstehn.
Wird jede Geistesblüt' entschleiern,
Und wird das große Wiedersehn
Der Tugend und der Liebe feiern.
Die Wolken, welche hier noch zwischen Seelen stehn,
Die schattenden Gestalten, werden schwinden.
Ein leichter Hauch verhüllt dann nur den Strahlenkern;
Anleuchten wird der Stern den Stern;
Die Tugend wird die Tugend wieder finden.
Dann wird sich, wie das klare Bild
Der Sonn' auf mildern Au'n und sanftern Hügeln,
Im zarten Schleier, der es hüllt,
Das innre Leben reiner spiegeln.

Jenes Rosenlächeln nicht,
Nicht der Kranz von blonden Haaren,
Nicht, was die Gestalt umblühte;
Nein, die zarte Seelengüte
Wird den Himmel offenbaren,
Der zu deiner Seele spricht.

Hehras Lebensmelodie,
Im ätherischen Erwachen,
Wird empor in Hymnen schweben.
Wohl wird jedes Engelleben
Himmlischer den Himmel machen;
Dich begeistern wird nur sie.

Wie ein weicher Flötenlaut,
Wird sich eine That dir nennen,
Welche Lieb' und Stille schufen:
"Das ist Hehra!" wirft du rufen;
O, dann wirst du sie erkennen
An dem Himmel, den sie baut.

Ja, Freund, wir werden sein, wir werden noch des Schönen
Und Guten inniger und seliger uns freun;
Und lyrischer wird unser Leben tönen,
Mit schönen Seelen im Verein.
Dann wird dem edeln, frommen Späher
Der heilige Verhüllte näher
Und lichter, stiller wird's um seine Tugend sein.
Erheben wird sie sich auf freierm Flügel,
Hin durch das neue Reich der Zeit;
Und heller strahlen wird an ihrer Stirn das Siegel
Der heiligen Unsterblichkeit.

Unsterblichkeit! Gedanke, der du Leben
Und Licht ins Dasein strahlst, und über Zweifel siegst!
Wie hoch kannst du den Menschen heben,
Wenn du den Menschen überfliegst!

Unsterblichkeit! dir bringe dann die Blume
Des Lebens ihren Purpur dar.
Du weihest, am Naturaltar,
Es ein zu seinem Göttertume.

Wenn Graun der Nacht an meinem Pfade lauscht:
Dann leuchte du herab aus deines Lichtes Fülle!
Erhebe mich, wenn laut das Leben mich umrauscht,
Zur Ruhe deiner Geisterstille!

Geheim entlaubt die dunkle Hand den Wald;
Und Schweigen ruht um längst versunkne Trümmer;
Du trittst hervor in deinem leisen Schimmer,
Wie eine rettende Gestalt.

Du winkst, wenn mir die letzte Thrän' entfließet,
Mich zur Vergötterung hinauf.
Ein Mensch, ein müder Pilger schließt,
Ein Gott beginnet seinen Lauf!
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Erstdruck: Halle 1800.
Deutsche Nationalliteratur, Band 135, Stuttgart [o.J.], S. 344-365.

Sechster Gesang

Es waltet demnach eine zweifache Natur im Menschen; und in dieser Beziehung lebt er für zwei Welten: für die Sinnenwelt und für die Geisterwelt. In jener entwickelt er sich als Naturwesen; in dieser reift er durch sittliche Freiheit zur sittlichen Freiheit. In jener ist er leidend; in dieser gilt seine That.

Daß er mit einer Kraft zu freierer That ausgerüstet sei, beweiset im allgemeinen seine Fähigkeit, dem Zusammenleben und den Wechselverhältnissen seiner Gattung eine Verfassung zu geben. Roms Freiheit ging aus der Freiheit des Römers, nicht diese aus jener, hervor; und mit dieser sank jene darnieder. Die neuesten Erscheinungen einer blutigen Anstrengung menschlicher Kräfte deuten mächtig den innern Freiheitssinn an; sie offenbaren aber auch zugleich den Mißbrauch seiner Kraft, die sich von Leidenschaften fortreißen läßt. Der Abfall in die Gewalt der Leidenschaft setzet die Freiheit voraus. Wie weit wir in der Geschichte umherschauen mögen: wir finden uns überall in einem Gedränge schaudervoller, von niedern Antrieben herbeigestürmter, Begebenheiten. Und dennoch empört uns das Gewöhnliche; und doch träumen wir von dem, was unerreichbar ist. Aber hierin vernehmen wir die Stimme der gebietenden Vernunft, die uns zur sittlichen Freiheit beruft, und im innersten Bewußtsein uns auffordert: das unverbrüchlich zu thun, was recht ist. Der römische Augustus, und Philipp von Spanien, der sehr lebhaft an den Tyrannen der neuesten Zeit erinnert, waren beide mehr oder minder glückliche Völkerunterdrücker, beide aber auch zugleich verbrecherische Sklaven ihrer Herrschbegierde. Arm und niedrig, ob sie auch einen Thron erränge, ist die List: erhaben und reich die Weisheit, oder das, dem Drange niedriger Antriebe widerstehende, freie Gemüt. Nur dieser Freiheitssinn ist vervollkommnungsfähig. Besonders im Kampfe mit den Widerwärtigkeiten des Lebens, wo Versuchungen reizen, und rauhe Begegnisse schrecken, bewährt sich diese Freiheit. Man denke sie sich aus dem Wesen des Menschen hinweg: so erscheinet in ihm ein Geschöpf, welches nicht ein Rätsel, sondern ein Widerspruch ist mit sich selbst. Von den Forderungen[343] der Tugend darf keine Rede mehr sein, und der Mensch tritt in dieser Vorstellung auf eine Tierstufe herab, wo der Instinkt ihm entzogen ist, der doch dem Tiere zugute kommt. Das Tier irrt nie, gleich dem Menschen, der, von Außendingen und innern Anregungen gedrängt, hin und her schwanket: ein Schwanken, welches sich in seinen bessern Entschlüssen, wie in seinen Mißwahlen, offenbaret.

Sein Dasein ist ihm in seine Hände gegeben: er kann es von sich werfen – ob er es solle: ist eine andere Frage, deren Erörterung nicht hierher gehört – er kann es, weil er Mensch, weil er frei ist. Eine Thatsache der höhern Freiheit ist der Sieg, der für die Sache des Rechtes über die stärksten Naturgefühle, und selbst über den mächtigen Lebenstrieb errungen wird. Die mit der Vernunft in Einstimmung gebrachten sinnlichen Neigungen sind eine liebliche Begleitung unsers Wandels: aus dieser Eintracht allein tritt das wahre Leben, das Leben der Freiheit hervor, welches nicht gänzlich untergehen kann; seines Daseins Spuren mögen im Gemüte unterdrückt, aber nie vertilgt werden: sie kommen in den Augenblicken der zurückgewonnenen Ruhe wieder zum Vorschein. Von der Höhe der Geistesfreiheit herab, wie klein, wie nichtig erscheint aller Prunk der Zufälligkeiten des Lebens! Diese Freiheit ist es, die den Menschen, wenn er, den erhabensten Auftritten der Natur gegenüber, wie in ein Nichts sich verliert, kräftig erhebt. Erhebung ist das Wesen der Vernunft; und so wirft sie einen Siegerblick auf das sinkende Dasein zurück, und umfaßt ihren Glauben, der die Tugend zum höheren, freieren Dasein hinübergeleitet.

Fußnoten

1 Thetis, eine Tochter des Meergottes Nereus, Vermählte des Königs Peleus, tauchte ihren Sohn Achill in die Fluten des Styx, wodurch er, bis auf die Ferse, an der sie ihn beim Untertauchen hielt, unsterblich und unverletzbar wurde. Im trojanischen Kriege erhielt er gerade an dieser Stelle eine Wunde, und starb.

2 Die Erzählung des Livius, daß sich Curtius, zum Opfer zürnender Gottheiten, in die Pesthöhle gestürzt habe, welche mitten in Rom ihren Schlund aufriß, strahlt wenigstens den Charakter der Energie des Römers zurück; und insofern liegt darin eine symbolische Wahrheit.

3 Regulus war in dem Kriege Roms gegen Karthago in die Gefangenschaft geraten. Mit einer krathagischen Begleitung wurde er nach Rom gesandt, um von seinen Mitbürgern den Frieden für Karthago zu bewirken. Er mußte zuvor feierlich versprechen, wenn er den Frieden nicht bewirkte, in die Gefangenschaft zurückzukehren. Es kam in Rom an; aber weit entfernt, zum Frieden zu raten, forderte er die Römer vielmehr eifrig auf, den Krieg fortzusetzen. Er sahe voraus, welches Los ihn treffen würde, wenn er nach Karthago zurückkehrte, aber er hatte sein Wort verpfändet; er ging zurück, und überlieferte sich dem martervollsten Tode.

4 Laren, Hausgötter, die auf dem Herde ihren Sitz hatten.

5 Als Cäsar ermordet war, teilten drei Usurpatoren, Oktavius, Lepidus und Antonius, unter sich den zerrütteten römischen Staat. Sie opferten, um sich auszugleichen, einer dem andern die liebsten Freunde auf. Oktavius gab, nah langem Sträuben, seinen Freund Cicero der Rache des Antonius hin.

6 Der zweite Philipp von Spanien, dieser düstre Tyrann, war der Leibeigne dreier Tyrannen: der Herrschgier, des niedrigsten Hochmuts, und der kleinlichsten Eitelkeit, zu denen sich noch die blutigste Rachsucht gestellte. Seine arglistvolle Regierung war ein fortgesetztes Lügensystem. Seinen nächtlichsten Greuelthaten, die nicht zu verbergen waren, legte er schwülstige Worte und moralische Sprüche in den Mund. Humanität auf den Lippen, Unmenschlichkeit im Herzen, forderte er Glauben, mit dem Schwert in der Hand. Die Politik trieb er so weit, daß er die ungeheuersten Lügen mit einem religiösen Ernste auftreten und mit öffentlichen Dankgebeten ankündigen ließ. Neben dieser frechen Gottesverhöhnung gleichzeitig, wohnte in ihm der furchtbarste Aberglaube, der seinem Blicke eine gewisse Unstetigkeit gab, und seine ganze Haltung gleichsam in Bruchstücke zerlegte, die sein innerstes Leben verrieten.

7 Die beiden Söhne des Brutus hatten sich in eine Verschwörung gegen den Staat eingelassen. Brutus, Roms Konsul, ließ beide vor seinen Augen hinrichten, und verschloß sich, als die Gesetze befriedigt waren, mit dem tief verwundeten Vatergefühl, in die Einsamkeit, um über sein hartes Schicksal zu trauern.

8 Herkules, den die alte Dichtung als das Ideal der Selbstverleugnung und der freien Thätigkeit aufstellt, hatte neben der Kraft, die ihn beseelte, manche Schwäche. Die Göttlichkeit, die sein Wesen überstrahlte, war mit tiefen Schatten vermischt. Besonders fand er in seinen Vermählungen seinen Tod, der der Übergang zu seiner Vergötterung wurde. Als er auf seinen Zügen nach Euböa kam, erblickte er Jolen, eine Tochter des Königs Eurytus. Von ihren Reizen gefesselt, verlangte er sie zur Gemahlin, ohngeachtet er mit Dejanira vermählt war. Eurytus schlug dem Herkules sein Verlangen ab, wofür dieser sich durch den Mord an dem Sohne des Eurytus rächte. Diese grause That befleckte seinen Ruhm, und er mußte sie durch tiefe Erniedrigungen büßen. Nachdem die Zeit dieser Büßungen überstanden war, ging Herkules gleichwohl zu dem Eurytus zurück, eroberte die Königsstadt, erschlug den Eurytus, nahm Jolen gefangen, und sandte sie zu seiner Gemahlin Dejanira. Diese fürchtete in der Jole eine Nebenbuhlerin, und glaubte, daß sie eilen müsse, von einem Mittel Gebrauch zu machen, welches ihr die Zuneigung des Herkules erhalten sollte: es war das vergiftete Blut des, vom Herkules getöteten, Nessus. Sie befleckte damit ein Unterkleid, welches sie dem Herkules mit der Bitte zuschickte, es an einem feierlichen Opfertage zu tragen. Herkules legte das Kleid an, als er den Göttern opferte. Sogleich empfand er die Wirkung des Giftes, und zuckende Qualen fuhren durch seine Glieder. Durch seinen Sohn, den Hyllus, ließ Herkules sich auf den Berg Öta bringen, um durch einen freiwilligen Tod seine Leiden in den Flammen zu enden. Schon umgab ihn die lodernde Glut; und nun heiterte sein ganzes Wesen sich auf. Er hatte für seine Vergehungen gebüßt; das Sterbliche fiel ab von ihm, und sein innigstes Selbst stieg geläutert zu den Göttern empor.

9 Tellus, die Erde.

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