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Роберт ГамерлингHOMUNCULUS. 6. GESANG: ELDORADO

Keine Lust verspürte Munkel...
40 мин.
95
немецкий
Keine Lust verspürte Munkel,
Seinen Schatz, den neu gehob'nen,
Und den größern seiner hohen
Angeborenen Talente
Irgendwie noch in den faulen
Unternehmungen der morschen
Alten Welt auf's Spiel zu setzen.
Eine neue Welt zu suchen
Ging er aus für höh're Zwecke,
Unabhängig von dem Zwange
Der Verhältnisse des Welttheils
Seine Sendung zu erfüllen,
Zu verwirklichen im höchsten
Stile den Homunculismus.
Eine Kolonie zu führen
In die Fremde, war sein Vorsatz,
Weit hinweg – am liebsten fernhin
Nach dem gold'nen Eldorado!
Warum sollt' es ihm nicht glücken,
Zu entdecken dieses Eiland,
Dieses sel'ge Land des Goldes
Fern im Westen, wenn er auszog
Als ein anderer Columbus,
Mit dem eig'nen und mit Lurlei's
Uebermenschlich feinem Spürsinn
Für verborg'ne gold'ne Schätze? –
Lange war die Fahrt und mühsam –
Mag ein And'rer sie beschreiben –
Und es setzten just die Meut'rer,
Wie in solchen Fällen üblich,
Auf dem Schiff dem kühnen Führer
An die Brust des Degens Spitze –
Da erscholl es: "Land!" und leuchtend
In dem Glanz der Morgensonne
Lag vor Aller Augen herrlich
Eldorados gold'ne Küste.
Dieses Land, ein Paradies war's
Ohne Schlange, reich und blühend.
Golderz glomm in Bergestiefen,
Flimmert' im Gestein, im Sande.
Milch und Honig floß in Bächen.
Stürme gab es nicht im Lenze,
Wetter nicht in Sommertagen,
Graue Nebel nicht im Herbste,
Schneefall nicht in Winterszeiten.
Gärten, Wiesen, Felder grünten
Blühten ungedüngt. Es fraßen
Keine Raupen an den Blüten,
Keine Wespen an den Früchten,
Keine Käfer an den Rinden,
Keine Nager an den Wurzeln.
Bienen hatten keine Stacheln,
Katzen hatten keine Krallen,
Rinder hatten keine Hörner,
Esel keine langen Ohren.
Keine Eulen, keine Marder
Gab es, Geier nicht noch Habicht,
Keine Hunde in den Gassen;
Keine Maden gab's im Käse,
Keine Motten im Gewande,
Keine Wanzen in den Pfühlen,
Keine Ratten in den Kellern,
Keine Mäuse in den Löchern,
Keine Läuse in den Pelzen,
Keine Flöhe in den Ohren.
Keine Würmer in den Nasen,
Keine Steine auf dem Herzen,
Keine Fliegen im Getränke,
Und kein Haar im Suppentopfe.
Friedlich lebten die Bewohner
Hin in edler Sitteneinfalt,
Ohne Haß und ohne Neid,
Ohne Ehrgeiz, ohne Zwiespalt,
Ohne Habgier, ohne Hoffahrt,
Ohne Spiegel, ohne Schminke,
Ohne Brillen, ohne Krücken,
Ohne Stelzen und Kothurne,
Ohne falsche Zähne, ohne
Falsche Culs und falsche Waden,
Ohne Schulden und Duelle,
Ohne Hörner in der Ehe,
Ohne Wortbruch, ohne Treubruch.
Nicht Verrückte, nicht Verbrecher
Gab's, noch Kranke; nur freiwillig
Starben Greise, eingerostet
War und stumpf die Parzenscheere.
Keinen Antisemitismus
Gab es hier und keine Juden,
Kein Revanchegelüste, keinen
Nationalitätenhader.
Die Bewohner dieser Gaue
Zankten niemals um des Esels
Schatten und des Kaisers Bart sich,
Zäumten nie das Pferd beim Schwanz auf,
Drehten niemals einen Sandstrick,
Machten nie den Bock zum Gärtner,
Faßten nie beim Schwanz den Aal
Und ein schönes Weib beim Worte,
Zogen niemals das unrechte
Schwein beim Ohre aus dem Koben,
Brachen über's Knie die Wurst nicht.
Und die Büchse der Pandora
Oeffneten sie nie so weit,
Daß das Unheil Zeit und Raum fand,
Mit dem Heil herauszuschlüpfen.
Keine läst'gen Dilettanten
Gab's, und keine Denkmalbettler,
Keine literar'schen Strolche,
Keine groben Droschkenkutscher,
Keinen unreinlichen Zahnarzt,
Keinen Priester, keinen Anwalt,
Keinen Arzt und Salbenkrämer,
Keine Schmeichler, keine Flegel,
Keine grämlichen Philister,
Kein verbummeltes Genie.
Ha, wie stürzten sich die gier'gen
Fremdlinge, die Kolonisten,
Ueber diese gold'nen Fluren!
Und in Schaaren strömten and're
Von der alten Welt herüber.
Bald wie Tropfen in der Meerflut
War im fremden Schwarm verschwunden
Das idyllische, das stille,
Sel'ge Volk der Ureinwohner.
Munkel aber ging an's Werk,
Im gesegneten Gelände
Ruhmvoll einen zeitgemäßen
Großen Musterstaat zu gründen.
Müh'voll war das Unternehmen,
Langsam schritt die Sache vorwärts,
Wie bei allem Großen, Schönen:
Langsam wie die Perle reift
In der Muschel, wie der Demant
In der Erde, die Versöhnung
Unter Oest'reichs Völkerschaften,
Die Kultur in Kamerun,
Und der deutsche Geist im Elsaß.
Gerne will ich euch berichten,
Wenn es nicht zu sehr euch langweilt,
Einiges von diesem großen,
Zeitgemäßen Musterstaate.
Als die oberste, die erste
Macht im Staate ward verkündet
Das Gesetz: und zur Verehrung
Ausgestellt in einem Tempel
Als Palladium, als Idol,
War's in sichtbarer Gestaltung:
Die Gestaltung eines ries'gen
Paragraphenzeichens hatt' es,
Und gefertigt war's aus Kautschuk,
Anzudeuten, daß es biegsam,
Daß es schmiegsam, – und es ließ sich
Auf den Kopf sogar auch stellen,
Ohne die Gestalt zu ändern.
Das Gesetz war Gott und Munkel
Sein Prophet. Zur Seit' ihm standen
Die Minister; hinter diesen
Stand das Parlament, und hinter
Diesem stand die Volksversammlung.
Die Partei'n im Parlamente
Nannten sich nach zweiunddreißig
Richtungen der Windesrose:
Eine Süd-Süd-Ostpartei,
Eine Nord-Nord-Westpartei auch
Gab es, u.s.w. Jede
Dieser sämmtlichen Parteien
Hatte sechs Parteiminister,
Welche, je nachdem des Windes
Richtung brachte Gunst und Ungunst,
Kamen, gingen, gingen, kamen,
Wie Figürlein aus dem Häuschen
Bei gewissen Apparaten
Nach des Wind's und Wetters Wechsel.
In den Rath der Alten theilte
Sich das Parlament – die Rechte
Der Vergangenheit vertrat er –
Und den Rath der Jungen, welcher
Stets vertrat das Recht der Zukunft:
Gegenwart blieb unvertreten.
Klein das Ohr und groß die Zunge –
Dieses galt als erstes Merkmal
Eines echten Volksvertreters.
Worte, stromweis sich ergießend,
Der Verstand nur tröpfelnd – dieses
Hatte sich bewährt als rechte,
Zweckentsprechend-prakt'sche Mischung
In dem Volksvertretungsleben.
Hohe Weisheit war's, die Stimmen
Nicht zu zählen, nein, zu wägen.
Eine kolossale Wage
Stand mit ungeheuren Schalen –
Flachen Räumen, breit wie Tennen,
Festgefügt aus eich'nen Bohlen –
In des hohen Hauses Mitte.
In die ein' und and're Wagschal'
Traten die Partei'n, die Fragen
Zu entscheiden, und es stellte
Sich heraus, daß diese Wägung
Mindestens in gleichem Maße
Stets zum Sieg verhalf dem Rechten,
Wie der alte Brauch der Zählung.
Aber der Instanzen höchste
War, sobald im Parlamente
Man das Votum abgegeben,
Des souv'ränen Volkes Stimme.
Dies versammelt' auf dem Markte,
Oder auch, bei Regenwetter,
In den Schenken sich zu letzter,
Zu endgültiger Entscheidung,
Die im Staat nicht weiter zuließ
Eine höhere Berufung,
Und die fertig ihm geliefert
Wurde von den Straßenrednern
Und den öffentlichen Blättern.
So geartet war der Grundbau
Der politischen Verfassung.
Fest- und Feiertage wurden
Abgeschafft in Eldorado,
Bis auf eins, das, hoch-bedeutsam,
Hieß das große "Affenschwanzfest".
Dieses sinn'ge Fest, entlehnt war's
Einem Indianerstamme.
Einen Tag und eine Nacht lang
Tummelte mit aufgebund'nen
Affenschwänzen in den Wäldern
Sich, zu ewigem Gedächtniß
Ihrer Herkunft und Verwandtschaft,
Fröhlich, fessellos die Menge.
Abgeschafft desgleichen wurden
Die gewohnten Heil'gennamen,
Auf die man vordem getauft war,
Und ersetzt durch klangvoll schöne
Wissenschaftlich int'ressante.
Auf dem nächsten Balle sah man
Doktor Amphioxus Meyer
Walzen mit Monera Schmidt
Und mit Frau Gasträa Schulze.
Glänzend war des Musterstaates
Fortschritt in des Rechtes Pflege.
Die Verhandlungen entschied man
Meistentheils durch Schachpartieen
Des Vertheid'gers und des Anwalts
Der Gerichte; jezuweilen
Auch durch Boxen oder sonst'ge
Balgereien zwischen Beiden.
Bei Bestrafung der Verbrecher
Gab den Ausschlag stets die Rücksicht
Auf Naturgesetze, wie sie
Längst ermittelt die Statistik:
Daß in jeder Zeitepoche
Nach Gesetzen des Naturlaufs
So und so viel Menschen stehlen,
So und so viel sich erhängen,
So und so viel mit Injurien
Fremder Ehre nahe treten,
So und so viel ihres Nächsten
Hausfrau lieben, und so weiter.
Demgemäß nun gingen immer
Straflos aus so viel Verbrecher
Jeder Art, als in dem Genre
Das Naturgesetz erheischte
Nach statistischem Ergebniß.
Laufen ließ man so an jedem
Tage von den Taschendieben
Zeh'n, weil dieses die Normalzahl:
Doch der Eilfte ward gehangen.
Ganz auf chemisch-physikalisch-
Physiologische Prinzipien
Stützte man die Wehrverfassung
Und die Art der Kriegesführung.
Heeresmassen abzustoßen
Lehrte jetzo die Mechanik,
Und statt and'rer Schläge gab es
Jetzt elektrische im Felde.
Auch erwiesen sich im Nothfall
Nützlich Cholerabacillen,
Ungeziefer aller Arten,
Bomben, welche platzend plötzlich
Mörd'rischen Gestank entluden,
Gase, schrille Dissonanzen,
Ohrzerreißende; nebst andern
Sinnesfoltern, wie der Scharfsinn
Sie ersann, sich überbietend.
Anvertraut ward der Armeen
Oberstes Kommando jetzo
Professoren, tücht'gen Meistern
Der Chemie, Physik, Mechanik.
Im Verkehr des Handels galten
Und der Industrie die alten
Sprüchlein: "Decipi vult mundus" –
"Jeder ist sich selbst der Nächste."
Uebervortheilung vermied man
Dadurch, daß gefälschte Waaren
Man mit falschem Geld bezahlte.
Schließlich war statt wucht'ger Münze
Leichtes Werthpapier in Umlauf:
Scheine, Bons, wie man sie nannte,
Welche Zwangscours hatten, niemals
Eingelöst zu werden brauchten.
Jeder Käufer stellte solchen
Bon aus im Betrag des Preises;
Der Empfänger gab ihn weiter,
Und von Hand zu Hand so gehend,
Nützten bald sich ab die Zettel,
Bis beschmutzt, zerfetzt von selber
Sie aus dem Verkehr verschwanden.
Froh des Seinen ward der Bürger,
Steuern gab es nicht noch Zölle,
Und der Staat bestritt die Kosten
Der Verwaltung ganz mit Schulden.
In den religiösen Dingen
Herrschte Duldsamkeit; doch wieder
Eingeführt ward eine heil'ge
Hermandad für Tagesmeinung
Im Bereich der Wissenschaften:
Streng verbrannte man die Ketzer.
In der Journalistik aufging
Alles Schriftthum und die Presse
Blieb für öffentliche Meinung
Tonangebend dadurch, daß sie
Sich zu ihrer Sklavin machte.
Auf die Zuchtwahl ward gegründet
Ehe- und Familienleben.
Neugebor'ne wurden alsbald
Meist verkauft an Kinderhändler.
Wer Verlangen trug nach Kindern,
Kaufte nach belieb'ger Auswahl
Solche in der Kinderhandlung;
Namentlich in der "zum Storch"
Kaufte man sie schön und billig.
Ihrem Gatten hatte Lurlei
Als des schönsten Ehebundes
Frucht geschenkt ein holdes Knäblein,
Eldorados echten Sprößling:
Golden waren seine Härlein.
Aber, ach, obgleich der Mutter
Treues, reizend-schönes Abbild,
Todtgeboren kam zur Welt
Dieses goldgelockte Knäblein.
Anvertraut den Anatomen
Ward sein Leib, um zu ermitteln
Seines frühen Todes Ursach',
Seines Tod's noch vor dem Leben.
Und es fanden die Zerglied'rer,
Daß des Knäbleins Organismus
Unvollständig: wie ja öfters
Neugebornen dieses, jenes
Glied zu viel, zu wenig mitgiebt
Die Natur in's Leben: etwa
Vier statt fünf der Finger oder
Zehen – so gebrach dem zarten
Sprößling des erles'nen Paares,
Des Homunkels und der Nixe,
Ein gewisses für den Blutlauf
Dienliches Brusteingeweide:
Jener große, weiche Muskel,
Den wir Herz zu nennen pflegen.
Sehr zum Leide, zum Verdrusse
War es Munkel, daß er seine
Vaterhoffnung sah gescheitert:
Gern erprobt hätt' er die höher'n,
Feiner'n Künste der Erziehung
An dem eigenen Geblüte,
An dem echten Sohn und Erben.
Zum Ersatz erwarb er käuflich
Aus des Eilands Neugebornen
Einen Knaben sich, ein Mägdlein.
Reizend waren sie und rosig,
Dieser Knabe, dieses Mägdlein,
Arme und verlorne Waisen
Eingeborener Familien,
Des geringen Ueberrestes
Der verdrängten Ureinwohner,
Die noch hie und da, in stillen
Buchten Eldorados hausend,
Ein idyllisch Leben führten.
Eldo nannte sie und Dora,
Weil dem Urstamm Eldorados
Rein entsproßt, ihr Pflegevater.
Vielversprechend aufzublühen
Schien in edler Vollkraft dieses
Schönste Kinderpaar der Insel.
Eldo zu der Männer Vorbild,
Dora zu der Frauen Muster
Zu erzieh'n nach eig'nem Sinne,
Eig'nem Plan, gedachte Munkel.
Tadellos zu jener Zeit war
Lurlei's Ruf in Eldorado;
Nur daß hie und da gemunkelt
Ward im Land von einer kurzen,
Aber seltsamen Berührung
Uns'rer nixenhaften Schönen
Mit dem "fliegenden Holländer",
Dem bekannten Geisterschiffsherrn,
Der verdammt zu ruheloser
Irrfahrt auf der öden Salzflut,
Bis ein edles Frauenwesen,
Wahrhaft liebend, ihn erlöset
Von dem bösen Schicksalsfluche.
In der That war dieser Aermste
Auf der ziellos grausen Irrfahrt
Einmal auch vorbeigesegelt
An dem Eiland Eldorado,
Hatt' am Strand erblickt die Lurlei
Ruhend auf besonnter Klippe,
Trällernd leis' ein Zauberliedchen,
Wie von ihrer Nixenzeit her
Sie zu thun noch nicht verschmähte
Manchesmal in müss'gen Stunden –
War entbrannt in heißer Flamme
Für das Weib, das zauberschöne,
Hatt' im Wahn der Leidenschaft sich
Hingegeben der Erwartung,
Dieses sei das Frauenwesen,
Das er suche, wahrhaft edel,
Und bestimmt, ihn zu erlösen.
In Gestalt und mit Manieren
Eines schmucken Kapitäns
Huldigt' er, an's Land gekommen,
Ihr, der nixenhaften Schönen.
Sich're Einzelheiten fehlen;
Doch gewiß ist, daß der Arme,
Der gespenst'ge Geisterschiffsherr,
Unerlöst, um eine bittre,
Schmerzliche Erfahrung reicher,
Eines Tag's sehr bleich zurückschlich
Auf sein Geisterschiff im Meere ...
Gleiche Rechte mit den Männern
Hatten allzumal die Frauen,
Saßen auch im Parlamente.
Lurlei hatte, muthvoll kämpfend,
Durchgesetzt in Eldorado
Lange vorenthalt'ne Rechte;
Uebernahm nun selber oft auch
Glänzende Vertrauensämter,
Würden aller Art im Staate.
Halb begannen zu verzichten
Auch auf ihre Tracht die Frauen,
Gingen gern in Männerkleidern,
Ungezwungenem Verkehr
Der Geschlechter zur Erleicht'rung.
Da indeß es umgekehrt auch
Männer gab, seltsam geartet,
Welche sich als Weiber fühlten,
Weiblich Wesen in sich pflegten,
Wurde diesen gern gestattet,
Auch zu geh'n in Weiberkleidern,
Und es ward verfügt am Ende,
Daß die Landeskinder sämmtlich
Vor der Obrigkeit, der hohen,
Einzeln hatten zu erklären,
Ob sie zu den Männern wollten
Zählen oder zu den Weibern.
Selbstverständlich war's, daß Frauen,
Welche sich für Männer gaben,
Eine Ehe konnten schließen
Mit den Ueberläufern – mit den
Männern weiblichen Geschlechtes;
Und naturgemäß dann führten
Sie das Regiment im Hause.
Mit der Heilkunst auch befaßten
Sich die Frauen, und als Regel
Wurde festgesetzt, daß Aerzten
Männlichen Geschlechts die Frauen,
Weiblichen Geschlechts die Männer
Sich erkrankend anvertrauten.
Hierdurch ward, merkwürd'ger Weise,
Fortan zwar vermehrt die Zahl
Der Erkrankungen beträchtlich,
Doch vermindert sehr erheblich
Ward die Zahl der Todesfälle.
In errungenen polit'schen
Hohen Stellungen verstanden
Es die Frau'n, der Untergeb'nen
Neigung für sich zu gewinnen,
Straften aber auch nichts strenger,
Unnachsichtlicher, als Mangel
An Ergebenheit und Treue.
In der Kriegskunst schien den Frauen
Mancher Lorber auch zu blühen,
Und in off'nem Felde sah man
Aus dem Lieblings-Tic der Frauen,
Stets das letzte Wort zu haben,
Und aus ihrer Ungeneigtheit,
Keckem Angriff feig den Rücken
Zuzukehren, Eigenschaften
Von soldatisch hohem Werthe
Sich entwickeln. –
Und nun laßt mich
Schließlich noch ein Wörtchen sagen
Von dem Leben, von dem Treiben
Der Partei'n in Eldorado.
Musterhafte Disciplin war
Eingeführt in dieses Eilands
Rührigem Parteienleben.
Jeder Einzelne – bei schwerer
Leibes- oder Lebensstrafe
War, wie billig, er verpflichtet,
Blindlings zuzuschwören einer
Von den herrschenden Parteien,
Blindlings dann in allen Stücken
Aufzuopfern jener Meinung,
Die zufällig just im Schwange
War im Schoße der Partei,
Seine bess're Ueberzeugung,
Und nichts anders sein zu wollen,
Als Partei-Kanonenfutter.
Der Zersplitterung der Stimmen
Und der unheilvollen Schwäche
Weich-rührseliger Gemüther
War gesteuert durch Gesetze,
Streng, doch wirkungsreich – wie folgt:
Wer da zu behaupten wagte,
Daß die andere Partei auch
Nur ein einzigmal im Recht sein
Könnt' in der geringsten Sache –
Fünfzig Streiche auf die Sohlen
Mit dem Bambusrohr bekam er.
Wer der Meinung, daß des Rechtes
Und der Sittlichkeit Begriffe
Gelten auch im Völkerleben,
Gelten auch im öffentlichen
Leben müßten – ward gesteinigt.
Wer behauptete, man dürfe
Auch im öffentlichen Leben
Kämpfen nicht mit allen Mitteln,
Nicht mit Lüge und Verleumdung –
Ward gesperrt in's Haus der Irren.
Wer so dreist war, eine Sache
Je von einem andern Standpunkt
Als dem Standpunkt der Partei,
Etwa dem des Rechts, der Wahrheit,
Zu erörtern – ward geköpft.
Einer, der in seinem Blatte
Einmal ließ verlauten etwas,
Dessen Kunde, wenn auch wahr, nicht
Im Int'resse der Partei lag,
Während seine Pflicht erheischte,
Im Parteiblatt einzig dessen
Zu erwähnen, was da Wasser
Auf der Mühle der Partei war,
Alles And're zu verschweigen,
Zu verdrehen – ward gerädert.
Dies die Disciplin, durch welche
Kräftig man zu steuern suchte
Der Zersplitterung der Stimmen
Und dem Schwachsinn weicher Seelen.
Traun! Heilsamen Schreckens voll
Betete im stillen Jeder:
"Mit den anderen Parteien
Werd' ich fertig; aber schütze,
Herr, mich vor den Gleichgesinnten!" –
Aufrecht stets in wünschenswerther
Schneidigkeit und Schärfe hielten
Sich im Staat die Gegensätze,
Daß so kräftigst und gesündest
Blühte das Parteienleben.
Nun geschah es, daß von jenen
Einflußreichen Straßenrednern,
Die des Volkes Urtheil lenkten,
Mächtig einer sich hervorthat,
Schwengel war in allen Glocken,
Eine Art von Strolch – die Herkunft
Unbekannt, an Rumpf und Gliedern
Zwerghaft fast, doch riesenköpfig,
Löwenstimmig, redemächtig.
Grob war er wie ein Genie,
Und galant wie ein Gorilla.
Riesig stark war er, so daß er
Einen ausgewachs'nen Ochsen
Zwar nicht auf den Berg hinauftrug,
Wie einst Milo, aber aufaß.
Nachgesagt von Feinden, Freunden
Ward ihm, daß er seine Mutter
Noch als Kind im Mutterleibe
Tödtete mit einem Fußtritt.
Aus dem Mund flog ihm das Wort wie
Stöpsel aus Champagnerflaschen,
Und sein Haupt glich eines Zünders
Phosphorköpflein – die geringste
Reibung, und er explodirte.
Demokrat vom reinsten Wasser
Und leibhaftige Verkörp'rung
Sozialistischer Prinzipien
War er in der Volksversammlung.
Gegen den, der über ihm stand,
Donnert' er: "Gleich sind wir Alle!"
Den hernach, der unter ihm,
Warf er nieder mit dem Zuruf:
"Wicht, du willst dich mir vergleichen?" –
Und sein Wort war wie die Windsbraut,
Ungeheuren Staub aufwirbelnd,
Und so feurig, wie der Samum,
Ungeheuren Brand entfachend
In den menschlichen Gemüthern:
Ungeheu're Wasserspritzen
Waren nöthig zu besprengen
Markt und Gassen und Gemüther,
Wenn er öffentlich gesprochen.
Leo Hase war der Name
Dieses mächt'gen Volksaufrührers.
Noch hatt' er die große Mehrzahl
Nicht im Volk auf seiner Seite:
Doch die Kühnsten und die Stärksten.
Die Parole, die er ausgab,
Lautete: Wir lassen uns
Nicht majorisiren!" –
Für das "Recht der Minderheiten"
Eintrat er vor aller Welt!
Einberufen eines Tages
Hatt' er auf dem off'nen Marktplatz
Eine große Volksversammlung.
Um ihn drängte dicht der Schwarm sich.
Flugs auf einer alten Tonne
Ober'n Deckel, die zufällig
Dastand in der Straßenecke,
Sprang er, und von da herunter
Schleudert' er in's Volk die wucht'gen
Donnerkeile seiner Rede.
"Hört!" so rief er; "einen Landsturm
Bin zu pred'gen ich gekommen –
Gegen die verhaßte, alte,
Schnöde Tyrannei der Mehrheit! –
Diese Tyrannei der Mehrheit
Will ich stürzen, Bahn zu brechen
Für die echte, wahre Freiheit,
Für das echte, wahre Recht;
Und dies Recht, es ist kein and'res,
(Hört!) kein and'res, als das schmachvoll
Unterdrückte, lang' verkannte,
Heil'ge Recht der Minderzahl!
Himmelschreiend ist das Unrecht,
Daß wir Andern deshalb einzig,
Weil wir in der Minderzahl,
Sklavisch uns dem Willen fügen
Sollen jener eitlen Mehrzahl!
Eine neue Staatsverfassung
Gilt's zu fordern, die gegründet
Auf das heiligste der Rechte,
Auf das Recht der Minderheit! –
Beifallsrufe zollte brausend
Die Partei dem kühnen Sprecher:
Aber greulich ihm entgegen
Lärmte die Partei der Mehrheit.
"Nein, ihr Brüder, und ihr Andern
Alle hört! Wir lassen uns
Nicht majorisiren!" –
Also zeterte der Wilde,
Stampfend auf der Tonne Deckel,
Drauf er stand.
"Wir lassen uns
Nicht majorisiren ..."
Jetzt war der Moment gekommen,
Wo, wie's Brauch in solchen Fällen,
Brach die Tonne – drauf gewartet
Hatten schon die Häscher: eilig
Stürzten sie herbei und rollten
Fort im Faß den Demagogen,
Rollten ihn bis zu des Kerkers
Pforte, die sich krachend aufthat –
Während grimmig auf dem Markt sich
Raufte Mehr- und Minderheit.
Und der Sieg – er blieb den Stärksten,
Blieb den Kecksten. Und ermuthigt
Durch den Glanzerfolg des Tages,
Achten sie nicht Schranke weiter
Noch Gesetz: vor jenen Kerker
Rücken sie in hellen Haufen,
Wo der Held in Banden schmachtet.
Und mit wildem Lärm erbrechen
Sie die Pforten und befreien
Den Gefang'nen: im Triumphe
Tragen sie auf ihren Schultern
Durch die Gassen ihn, wo schweigend
Und die Augen niederschlagend,
Hinschleicht die beschämte Mehrzahl.
Und von da an, auf der Stirne
Martyr-Glorienschein vereinend
Mit dem Lorber des Erfolges,
Feiert stolz er, mit Behagen,
Diese Himmelfahrt des Ruhmes,
Folgt dem Ruf zu großen Thaten,
Rafft sich auf zum Heldenthume.
Er bewaffnet seinen Anhang,
Rückt ins Feld, verschanzt sein Lager,
Zieht an sich viel neue Schaaren,
Um zu führen dann den Hauptstreich.
Alte Sage lebt' im Lande,
Daß in Eldorados Bergen
Reiche gold'ne Schätze ruhten.
Zwar der Insel stilles Urvolk
Hatte, harmlos-glücklich, wenig
Sich um solchen Hort gekümmert;
Doch die neuen Kolonisten
Schürften emsig nach des gold'nen
Erzes Adern im Gefelse.
Eines Kegelberges Gipfel
Ragte nah' der Inselhauptstadt,
Der, umgrünt von Rebgeländen,
Holden Friedens, reichen Segens
Stätte war seit grauer Urzeit.
Aber sieh, des hellen Goldes
Unerschöpflich reichste Mine
War zu Tage nun getreten
In desselben Berges Schoße.
Gierig strömten sie zusammen
Eldorados neue Bürger,
Auszubeuten diesen Erzschacht.
Tief einbohrte sich die Habgier
In die goldesschwang'ren Schollen,
In den Glimmerfels – vergessen
War vom Volke, und vergessen
Selbst, so schien's, vom umsichtsvollen
Neustaatsgründer, Neustaatslenker,
War von Munkel, was des Neustaats
Wohlfahrt, Sicherheit erheischte.
Dessen freute sich im Herzen
Leo Hase, der verschmitzte
Volksaufrührer, welcher lauernd
Mit dem schlagbereiten Heere
Stand im Feld. Es murrten manche
Schon der Seinen, daß vergönnt nicht
Ihnen auch es sei, zu schürfen
Ihren Antheil aus dem Goldschacht.
Aber Leo Hase sagte,
Als er Eldorados Mehrzahl,
Munkel's Arimaspenvolk,
Statt mit Eisen sich zu gürten,
Blind sah nach dem Golde hasten:
"Grabt nur nach den goldnen Körnern!
Scharrt in eures Angesichtes
Schweiß sie lechzend aus der Erde!
Wenn gesammelt ist der Segen
Und in Garben steht die Goldsaat,
Kommen wir, um sie zu holen! –
Langt nur immerhin, ihr "Reichen",
Aus der heißen Asche für uns,
Für uns "Arme" die Kastanien –
Diese goldenen Kastanien! –
Die ihr euch gelacht in's Fäustchen
Einst, dieweil wir, eure Taschen
Füllend, blut'gen Schweiß vergossen,
Finden werdet ihr am Ende,
Daß ihr euch für uns bemühet ..."
So mit schrecklicher Geberde
Sprach der wilde Volksaufrührer
Leo Hase, und die Seinen
Brüllten Beifall in der Runde.
Unansehnlich, kampf-unmuthig
War die Streitmacht, welche Munkel
Endlich doch in letzter Stunde
Eilig noch zusammenraffte
Und mit welcher den Rebellen
Er in off'nem Feld sich stellte
Zu dem Kampfe der Entscheidung.
Und die Schlacht, sie ward geschlagen:
Eine Schlacht, nach welcher wochen-,
Mondelang die Raben litten
Und die Geier in der Gegend
An Beschwerden der Verdauung.
Was von Munkel's ganzer Streitmacht
Nicht zum Fraße ward den Raben,
War zersprengt in alle Winde.
Leider zum Entscheidungskampfe
War zu spät gekommen Lurlei's
Amazonenschaar, die kühne.
Es vernimmt mit Schamerröthen
Von des Gatten Niederlage,
Von dem Siege der Rebellen
Lurlei die beschwingte Kunde.
Sie versinkt in tiefes Sinnen.
Aber flugs nunmehr die Spitze
Selbst zu bieten jenem Kecken,
Den der Lorbeer schmückt des Sieges,
Ist sie muth'gen Sinns entschlossen.
"Lieber unterliegen," ruft sie,
"Einem kecken Ueberwinder,
Als an eines Mannes Seite
Müssig ruh'n, der unterlegen!"
Spricht's und macht mit ihren Schaaren
Stracks sich auf, will "Fühlung" suchen
Mit dem Feind, dem trotzig-stolzen
Siegeshort der "Minderzahl".
Und bald lagern sie einander
Gegenüber sich: der Heerbann
Der Rebellen und die Schaaren
Muthbeseelter Amazonen.
Angriff ist nicht Frauensache;
Abwehr ist der Frauen Stärke.
Und so harrt des Angriffs Lurlei
Thatlos, aber unerschrocken.
Eines Tags die Ihren mustert
Hoch auf weißem Zelter Lurlei.
Vom erhöhten Standort blickt sie
Auf die Reihen in der Runde,
Auf die Reih'n der Frauenwesen,
Die da steh'n zum Kampf gerüstet
In des Morgens frischem Glanze.
Und wie einst der Perserkönig
Bei der Ueberschau der Seinen
An des Hellesponts Gestade
Plötzlich stumm sein Haupt verhüllte,
Schwermuthsvoll begann zu weinen,
Still gedenkend, was aus dieser
Heldenmacht noch würde werden –
So auch plötzlich sah man Lurlei
Schwermuthsvoll die Stirne neigen,
Eine Thrän' im Aug' ihr blinken.
Und man fragt sie nach dem Grunde
Solcher Trauer.
Lange schweigt sie ...
Aber endlich in die Worte
Bricht sie aus mit tiefem Seufzer:
"Ach, ihr stolzen Amazonen,
Kraftbeseelt und jung und blühend,
Die ihr da so muthig steht,
Siegsgewiß, unwiderstehlich,
Reizumstrahlt – in dreißig Jahren
Alte Weiber seid ihr alle!" –
Spielend necken sich die Posten,
Unbedeutende Scharmützel
Gibt es erst, wobei gefangen
Manchmal wird ein unerfahr'nes,
Naseweises Amazönchen.
Doch indessen sann im Stillen
Kecklich der Rebellenführer,
Und nicht minder schlau als keck,
Zu entscheiden rasch die Dinge:
Plante nächt'gen Ueberfall.
Sehenswerth, traun, werth der Schild'rung,
War das Amazonenlager.
Wie Stecknadeln sonst wohl zahlreich
In der Frau'n Gewandung stecken,
D'ran gar leicht sich ritzt den Finger,
Wer da küssen will und kosen:
Also staken diese muth'gen
Kriegerinnen voll von Dolchen,
Von Revolvern, von Geschossen,
Dynamitpatronen – wehe!
Losgeh'n sie, ha, explodiren,
Wenn ein Finger sie berührt! –
Abends machen sie indessen
Sich's doch gern bequem ein wenig.
Und des Zeitvertreibes halber
Nach dem Strickzeug greift die eine,
And're nähen, and're sticken.
Hei, welch' buntes Durcheinander
Weiblichen Geräths mit Erzwehr!
Zarte Nadeln, scharfe Lanzen –
Seifen- und Kanonenkugeln –
Pulver für die Feuerrohre,
Poudre, sich zu schminken – Salben,
Um die Wunden einzureiben,
Duftige Pomadetöpfchen! –
Lurlei hatt' in freien Stunden
Sich beschäftigt mit Entwürfen
Von kleidsamen Toiletten
Für sich selbst und für die Ihren:
Von "Vorposten-Toiletten",
Von "Wachtstubentoiletten",
"Morgen-Lagertoiletten",
"Angriffs-", "Abwehrtoiletten",
"Fühlungs-", "Ueberfallstoiletten",
"Busch- und Hinterhaltstoiletten",
Und so weiter.
Nebenbei auch
Wohl erörtert sie im enger'n
Kreis der näher ihr Vertrauten
Pläne, die sie hegt im Geiste:
Nach dem Sturze der Rebellen
Sich nicht mehr mit gleichem Rechte
Zu begnügen vor den Männern,
Die so schmählich unterlagen.
Schwatzhaft ausgemalt dann werden
All' die tausend Konsequenzen,
Welche knüpfen an den Vorrang
Sich des weiblichen Geschlechtes.
Eben herrschend war im Lager
Lurlei's wiederum ein solches
Reizendes Sichgehenlassen.
Später Abend war's. Die Haare
Hatten eingedreht die Meisten
Schon in Wickeln, und in blankem
Négligée die Schönen saßen,
Standen, lagen, wie sich's fügte.
Unterdessen hatte lauernd
Unter eines dichten Nebels
Schutz durch's Buschwerk der Rebellen
Horde sich herangeschlichen.
Unerwartet, unbegreiflich,
Wie gefallen aus den Wolken,
Oder wie dem Grab entstiegen,
Stand mit einemmal die Meute
Dunkler, bärtiger Gesellen,
Finster blickend, höhnisch grinsend,
Ihre Wehr bedrohlich schwenkend,
Mitten unter den entsetzten,
Schreckensblassen Amazonen.
Sollten sie nach ihren Kleidern
Greifen oder nach den Waffen?
Sollten sie sich lieber leiblich,
Lieber taktisch und strategisch
Blößen geben vor dem Feinde?
Rathlos schwanken sie – von guten
Kopien der medizä'schen
Venus wimmelt's in der Runde.
Es verschmähten auch die Meut'rer
Ihre Waffen zu gebrauchen.
Suchten, froh des ausgezeichnet
Raschen, glänzenden Erfolges
Dieser kühnen Ueberrump'lung,
Sich auf guten Fuß zu setzen
Mit den Zorn- und Schamerglühten.
Halfen ihnen schließlich selber
Zu ergänzen die Toilette,
Trösteten die, welche schluchzten,
Riefen neu zurück in's Leben
Jene, die in Ohnmacht fielen.
Aber manches Mannweib gab es
In der Meut'rerhorde Leo's,
Männlicher als all' die andern
Wilden bärtigen Gesellen.
Diese Ueberläuferinnen
Des Geschlechts, sie warfen frech sich
Auf die armen, überraschten
Einstigen Geschlechtsgenossen,
Grüßten sie mit Hohngelächter
Und mit unverschämten Küssen,
Bis die Männer, schamerröthend,
Sie mit manchem derben Faustschlag
Nach dem Hintergrunde trieben.
Friede ward indeß geschlossen
Zwischen Lurlei und dem Führer
Der Rebellen, und vereinbart
Die Artikel des Vertrages.
Freier Abzug für das ganze
Wack're Heer der Amazonen,
Lurlei einzig ausgenommen,
Ward gewährt, mit der Bedingung,
Daß man sich gedulden solle
Bis zum Morgen mit dem Aufbruch.
Als so leidlich überwunden
War der erste Schreck der Frauen
Und die Scham der Niederlage,
Wurde viel gezecht, geschmaus't,
Viel gesungen auch, und schließlich
In den Zelten und im Freien –
Es war eine schöne Mondnacht –
Auch getanzt. Bei fortgeschritt'ner
Laune bildeten sich Pärchen
Zwischen Siegern und Besiegten,
Und es ward nun viel geplaudert,
Viel gelacht, und auch geschäkert
Hie und da an trauter Stelle,
Und es schluchzte Keine mehr,
Keine fiel nun mehr in Ohnmacht,
Während Lurlei die Artikel
Des Vertrags in's Reine brachte
Mit dem Führer der Rebellen,
Der sich fügsam zeigt' in Allem,
Nur nicht darin, mit den andern
Frau'n auch Lurlei frei zu geben.
Und so herrschte denn ein leidlich
Einvernehmen, bis die Sieger
In die Haare sich geriethen
Und sich zwischen ihnen selber
Kleine Prügelei'n ergaben,
Wenn sie über die Bewachung
Und die sonstige Behandlung
Ihrer weiblichen Gefang'nen
Eins zu werden nicht vermochten.
Lurlei, die vor Scham und Aerger
Einen Dolch in's Herz im ersten
Augenblick sich stoßen wollte,
Dann mit dem Rebellenführer
Aufgesessen war die Nacht durch,
Ueber des Vertrags Artikel
Im Detail sich zu verständ'gen,
Lernte kennen, lernte schätzen
Nebenbei in diesem Führer
Einen Mann auch von Charakter,
Energie, gewalt'gen Gaben.
Und da Munkel nun gestürzt war,
Nah' der Untergang des Reiches,
Galt es in das bitt're Loos sich
Der Gefangenen zu schicken
Und dem neuen Stern zu folgen,
Wohin er sie führen würde.
Nach der Hauptstadt bricht am Morgen
Auf mit seinem sieggekrönten
Heerbann der Rebellenführer,
Um sie in Besitz zu nehmen:
Sie mitsammt der gold'nen Beute.
Auf dem Wege kommt entgegen
Ihm ein wunderbar Ereigniß.
Nach der heiter'n Kriegskomödie,
Kriegsidylle dieser Nacht,
Welch' ein tragisches Geschehen!
Welch' ein riesiges Verhängniß!
Jener hohe Bergeskegel,
Der gelegen nah' der Hauptstadt,
Und in dessen tiefste Schachte
Eingewühlt sich maulwurfartig
Die Begier nach lichtem Golde –
Dieser Berg beginnt nun plötzlich
Tief in seinem Grund zu beben
Und zu donnern – aufzusperren
Einen ries'gen Flammenrachen.
Rauchgewölk erst wallte, Asche
Rieselte, Glutfunken stoben,
Und zuletzt sein Gold in glühend
Heißen, in geschmolz'nen Massen
Wirft er aus! – Gold ist die Lava
Dieses neuen Feuerkraters,
Welche theils wie Regenfluten
Aus den Lüften niederprasselt
Auf die Stadt und auf das Eiland,
Theils in gelben Feuerströmen
Sich hinunterwälzt in's Flachland,
Ueberschwemmend und versengend.
Viele kommen um im Kampfe
Mit den gold'nen Flammenwogen.
Aber die noch leben, stürzen
Mit unsäglicher Begier sich
Auf die Goldflut – in Gefäße
Schöpfen sie den Schatz, und Jeder
Rafft an sich, was er vermag –
So entspinnt ein grimmer Kampf sich,
Und schon mischt sich Blut dem Goldstrom.
Auf des Volks verwirrt Getümmel
Mit der wohlbewahrten Heerschaar
Wirft sich der Rebellenführer,
Drängt zurück es von der Stätte,
Wo der Goldschatz gleißend lockt –
Doch nun stürzen auch die Krieger
Blindlings auf die blanke Flut sich,
Achten nicht Befehl, noch Mahnung,
Kämpfen, tödten sich im Wettstreit –
Raserei und Wahnsinn herrschen.
Munkel hat, wie all' die Andern
In des Golddursts wildem Fieber
Sich gestürzt in diesen Wettkampf.
Er mit Wenigen noch rettet
Sich zuletzt in schwanken Booten
Auf das Meer hinaus – doch hier auch
Würgen, tödten sie einander
Um des gelben Erzes willen,
Das an sich gerafft sie flüchtend.
Mit dem ros'gen Kinderpaare
Eldo, Dora, an der Seite,
Kehrt zurück aus Eldorado,
Kehrt zurück zur alten Heimat
Unser Held, der schwer geprüfte,
Aufbehalten zu noch ander'n,
Zu noch größeren Geschicken.
Und so hat das sel'ge Goldland
Diesem fremden, übermüth'gen,
Unersättlichen Geschlechte
Seinen Goldschatz flammenlodernd
In den gier'gen Schlund gegossen –
Rächend so das paradiesisch-
Schöne Dasein auf dem Eiland,
Welchem sie gemacht ein Ende.
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Жалоба
Homunculus.
Erstdruck: Hamburg (Richter) 1888.
Hamerling, Robert: Homunculus. Modernes Epos in 10 Gesängen, 5. Auflage, Hamburg
1889, S. 130-169.

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