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Роберт ГамерлингHOMUNCULUS. 1. GESANG: AUS DER RETORTE

Bravo! sagte der Homunkel...
16 мин.
105
немецкий
Bravo! sagte der Homunkel,
Als er fertig, und hernieder
Von der riesigen Retorte
Sprang er auf den Tisch des wackern
Hoch- und tiefgelehrten Doktors
Und Magisters, welcher eben
Nach unsäglichem Bemühen
Mit den Mitteln der Chemie nur
Aus den ersten Elementen
Dargestellt und hergestellt ihn,
Zum Triumph der Wissenschaft.
"Bravo, Doktorchen!" so rief er
Noch ein zweites mal, indem er
Fröstelnd in ein Wämschen schlüpfte,
Welches schon für ihn bereit lag;
Und mit gnäd'ger Miene klopft' er
Auf die Achsel dem Erzeuger.
"So im Ganzen und vom reinen
Chemisch-physiolog'schen Standpunkt
Aus betrachtet, ist, mein Lieber,
Was du schufst, ein respektables,
Lobenswürdiges Stück Arbeit.
Im Detail, da wäre freilich
Mancherlei davon zu sagen."
Also fortfuhr der Homunkel,
Ließ dann einige gelehrte,
Schätzenswerthe Winke fallen,
Sprach von Albumin sehr Vieles,
Von Fibrin, von Globulin auch,
Keratin, Mucin und Andrem,
Und von regelrechter Mischung,
Und belehrte seinen Schöpfer
Und Erzeuger gründlich, wie er's
Hätte besser machen können.
Musterte hierauf des Doktors
Hochgethürmten Bücherschragen,
Nahm ein Buch herab und streckte
Lesend sich in einen Lehnstuhl.
Mit Respekt still von der Seite
Sah der Doktor sein Geschöpf an,
Welches übrigens frappant ihm
Aehnelte: dieselben klugen,
Schlaffen, übernächt'gen Züge,
Nur daß, runzlig, der Homunkel
Aelter aussah als sein Vater,
Anderseits jedoch ein Kind noch,
Oder, wenn man will, ein Zwerg war.
Allgemach begann zu kritteln
Und zu nörgeln an dem Buche,
Welches er in Händen hatte,
Der Homunkel. Int'ressant war
Dies dem Doktor, er notirte
Die Bemerkung in's Notizbuch:
"Erste literar'sche Regung
Eines Menschleins – Rezensiren."
Mittlerweil' kam so in Eifer
Der Homunkel und erging in
Glossen sich, so voll von Witz, so
Scharf, so beißend, so gepfeffert,
Daß ein Niesedrang den Doktor
Ueberfiel, der nicht zu stillen,
So daß dieser sich zurückzieh'n
Einen Augenblick und einsam
Lassen wollte den Erboß'ten,
Als der Kleine die Scharteke
Warf' bei Seit' und, mit den Beinchen
Wie gelangweilt schlenkernd, gähnend,
Zu sich winkte den Erzeuger.
"Hör' doch, Väterchen!" begann er.
"Was beliebt?" frug Jener. "Sag' mir,"
Fuhr der Kleine fort, "wie kam dir
Denn so eigentlich der Einfall
Mich, just mich zu fabriziren?
Warum hast du denn nicht lieber
Dich auf Alchemie geworfen?
Leute giebt es ja genug schon!
Besser hätte deine Mühen
Dir gelohnt ein goldner Klumpen.
(Apropos, wie steht das Agio?)
Gold, mein Lieber, das rentirt sich;
Alles andere ist Chimäre.
Bist ein Idealist, ein Schwärmer!
Mußt nun kleiden mich, ernähren!
Durst und Hunger schon verspür' ich!"
Braten ließ vom nächsten Garkoch
Und die beste Flasche Weines
Bringen unverweilt der Doktor,
Und die edle Gottesgabe
Stellt' er hin vor den Homunkel.
Der begann herumzustochern
Am Gebrat'nen, und zu nippen
An des Weines duft'ger Labe,
Aber baß den Mund verziehend,
Grimassirend wie vor Leibschmerz,
Sich das Bäuchlein reibend, krümmte
Auf dem Stuhle sich das Männchen.
Ach, abscheulich fand den Trank er
Und das Essen unverdaulich,
Bat ein Dütchen Gummi, Schwefel,
Coffeïn, dazu ein Gläschen
Reinen Alkohols sich aus.
Als er dran gelabt sich leidlich,
Kam zurück er auf die Frage:
"Wie verfielst du drauf, mein Lieber
Mich, just mich zu produziren?"
"Lieber, herrlicher Erzeugter!"
Gab zur Antwort der Gefragte;
"Ganz natürliches Ergebniß
Fortgeschritt'ner Wissenschaften
Bist du! Wissen, Freund, ist Können!
Dich zu machen, an der Zeit war's,
Wie es niemals noch gewesen,
Und wir thaten's, weil wir's konnten,
Weil wir wußten, weil wir glaubten,
Daß wir's könnten. Und so wardst du!
In der Luft schon gleichsam lagst du!
Zeitgemäß und folgerichtig
Kamst du, wie im März das Veilchen,
Kamst du, wie im Mai der Käfer,
Wie der Storch, der Wandervogel!"
"Danke für die Ehre!" sagte
Der Homunkel; "aber höre,
Was so eigentlich – wie sag' ich? –
Das Gemeingefühl – Bewußtsein
Dazusein – das Leben anlangt,
Das du mir geschenkt, so weiß ich
Wirklich nicht, ob ichs dir danke.
Fühle mich – hol' mich der Geier –
Nicht recht wohl in dieser meiner
Haut, so fein sie auch gesponnen,
Und es plagt mich Langeweile!" –
"Teufel!" rief entsetzt der Doktor,
"Glaube gar, du bist blasirt schon!"
"Glaub' es auch!" versetzte gähnend
Der Homunkel.
Allgemach dann
Hub' er an, in weinerlichem
Tone über dieses, jenes
Körperungemach zu klagen,
Und wenn theilnamvoll der Doktor
Näher ihn befragte, rief er
Aechzend nur: "Ach meine Nerven!
Meine Nerven!" – Wenn der Doktor
Seinen Puls befühlte, fand er
Selben fieb'risch galoppirend,
Und im nächsten Augenblicke
Wieder schleichend gleich dem Schrittgang
Eines eigensinn'gen Kleppers.
Ueber Wallungen, dann wieder
Ueber Blutarmuth auch seufzte
Der Homunkel; dem Erzeuger
Warf er vor, zu wenig Eisen
Sei gekommen in die Mischung
Seiner ersten Elemente.
"Elend ist auch die Verdauung,"
Rief er dann, "und Neuralgien
Zwacken hier und zwacken dort mich.
Packe mir den Koffer schleunigst,
Augenblicklich muß in's Bad ich!"
Eingebildet nennt der Doktor
Seine Leiden, ihn beschwicht'gend.
Der Homunkel drauf: "Die Sache
Ist, mein Lieber, daß ein bischen
Arg du im Detail gestümpert;
Und das muß ich jetzo büßen!"
Aergerlich den Doktor machten
Diese Reden und er sagte:
"Nimmst du ganz dein erstes Bravo
Schon zurück als Uebereilung
In so wachsend übler Laune?
Undankbar und unbescheiden
Bist du, Junge! Mir verdankst du
Diese Haut und diese Knochen,
Dies Gewebe, dies Geblüte,
Diesen Odem, diese Sinne,
Diese Denkkraft; mir verdankst du's,
Wenn auf diesem Erdenrund du
Deine siebzig, achtzig Jährchen
Völlig wie geborne Menschen
Leibst und lebst und liebst und leidest!"
"Achtzig Jährchen? wär nicht übel!"
Gab zurück ihm der Erzeugte.
"Hab es satt schon jetzt, das Leben!
Ist's vielleicht ein Gut, dies Leben?
Weißt du nicht, daß Nichtsein besser?
Rechenschaft von dir verlang' ich,
Wie, mit welchem Rechte du dich
Unterstanden, mich zu schaffen,
Mich auf's Rad des Seins zu flechten,
Zu verdammen mich zum Elend,
Zu dem Hunger, zu dem Ekel,
Zu der Langeweil' des Daseins?
Hab' ich dich darum gebeten?
Lag ich nicht im Schoß des Nichtseins
Wonniglich? Wie durftest du so
Mir nichts dir nichts aus dem besten
Schlaf mich wecken und mich zwingen
Mitzutrotten wider Willen
In dem langen, bettelhaften
Pilgerzug der Kreaturen?"
"Ungemüthlich," rief der Doktor,
"Bist du, bist ein Hypochonder,
Bist verbittert, bist vergrämelt!
Schau' die Welt dir an, die schöne!
Und genieße sie!"
Da lachte
Der Homunkel: "Anschau'n soll ich
Diese Welt mir? Mit den Augen,
Welche du mir gabst, erscheint sie
Eine arge Pfuscherei mir,
Wie ich selber! – Und genießen?
Ha, genießen! Mit den Sinnen,
Welche du mir gabst, befällt mich
Bei dem Wort Genießen fliegend
Eine Hitze: doch dazwischen
Gleich durchfröstelt der Verstand mir,
Welchen du mir gabst, die Seele
Eisig scharf – Genuß, ha, würfe
Zwischen Glut und Frost umher mich,
Halb erstickend, halb erstarrend."
Bei den Worten fiel des Kleinen
Blick zufällig auf das Bildniß
Eines schönen Frauenzimmers,
Das im Rahmen an der Wand hing.
"Welch' ein Weib!" begann er schmunzelnd,
"Welche Augen! welche Wangen!
Welche Lippen! welche Glieder!"
Konnte gar nicht satt sich sehen
An dem Bild, hub an zu strampeln
Mit den Beinchen vor Vergnügen.
Freudig merkend solch' korrekten
Fühlens Ausbruch, rief der Doktor:
"Liebe, Freundchen! lerne lieben!
Solches wird von übler Laune
Bald dich heilen! Will ein Weibchen
Dir erkiesen, dir vermählen,
Das dir bleibe schön verbunden
Immerdar in Lieb' und Treue!"
"Lieb' und Treue?" rief das Männlein,
Schlug ein helles Hohngelächter
Auf, daß das Gemach erbebte
Und das Bildniß von der Wand fiel.
"Bist ein Idealist, ein Schwärmer!" –
Und so immer ärger greint' er,
Tobt' er – immer unbarmherz'ger
Hunzt' er aus den armen Doktor,
Schalt ihn Ignoranten, schalt ihn
Stümper, warf ihm insbesond're
Vor, er habe soviel Phosphor
Beigemischt den Elementen
Seines zarten Organismus,
Daß genug es für ein Pferd wär',
Und infolge dessen glühe
Denkend, grübelnd des Gehirnes
Masse wie ein Kohlenmeiler
Ihm von Anbeginn, des hellen
Intellektes Flamme schlage
Schier ihm über'm Haupt zusammen,
Leucht' in jeden Kehrichtwinkel
Dieser Welt hinein so grell ihm,
Daß ihm nichts schier übrig bleibe,
Als aus seiner Haut zu fahren,
Als des Teufels ganz zu werden.
"Dank?" so schloß die Rede grinsend
Der Ergrimmte, "Dank verlangst du
Dafür, daß du mich geschaffen?
Eine tücht'ge Tracht von Prügeln
Ist der Dank, den du verdientest!"
Rief's und leiser dann zu wimmern
Fuhr er fort, sich zu beklagen
Ueber rasend-wilden Kopfschmerz.
Tiefbestürzt, mitleidig neigte
Sich der Doktor zu dem Kleinen,
Oeffnete sodann den Wandschrank,
Arzenei daraus zu nehmen
Für den Kranken. Doch der Schrank barg
Eine exquisite Sammlung
Auch von Giften, die in Fläschchen
Mit gar zierlich-netter Aufschrift
Wie "Arsenik", "Cyankali"
Und so weiter, lang gereihet
Standen hier in schöner Ordnung.
Gierig haftet des Homunkels
Blick darauf; wie eine Katze
Lüstern leckt er sich die Lippe,
Und mit einem Griffe blitzschnell
Hat er eines Stücks Arsenik
Sich bemächtigt – will's verschlingen;
Mit genauer Noth entreißt es
Ihm der Doktor, sucht ihn schmeichelnd
Zu beschwicht'gen. Dann erwägend,
Was mit ihm sei zu beginnen,
Hält er es zuletzt für's Beste,
Vor der Hand in tiefen Schlaf ihn
Zu versetzen durch Hypnose.
Und er blies ihm in den Nacken,
Sah ihm starr in's Aug', begann dann
Kunstgemäß die beiden Schläfe
Ihm zu streichen, ihm zu drücken,
Und nach wenigen Minuten,
Tief zurückgelehnt im Lehnstuhl,
Lag im Schlummer der Homunkel.
"Gott sei Dank! sprach still vor sich hin
Der geplagte chem'sche Vater,
Und ein Seufzer der Erleicht'rung
Rang sich los aus seinem Busen.
"Ich riskire, daß der Range
Mich noch ohrfeigt!" sprach er weiter
Zu sich selbst; "ein Teufelsjunge!
Geistig ist er baß gerathen:
Nur was Kraftmaß, Säftemischung,
Konstitution des Leibes,
Was Gemüth, was Stimmung anlangt,
Nun, da hapert's. Sonderbar ist's,
Daß bei diesem ganz erweislich
Materiell-erzeugten, chemisch-
Construirten Lebewesen
Just das Leiblich-Materielle,
Das Natürliche verschrumpft ist,
Geist und Intellekt dagegen
Ueppig sind in's Kraut geschossen.
Hätt' es umgekehrt erwartet!
Nicht zu leugnen: Defizite
Giebt es noch im Lebenshaushalt
Dieses jungen Organismus:
Doch er funktionirt – er lebt!
Schwächen hat er und Gebreste:
Doch der Kern – den Kopf zum Pfande
Setz' ich – dieser ist gelungen;
Und zu Großem war berufen,
Ist berufen dieses Menschlein!
Eine große Rolle spielen
Muß er, wird er in der Welt noch!
Aber so mit Haut und Haaren,
Wie er ist – unmöglich wär' es,
Daß er durchdringt! Nicht zu Grund geh'n
Darf er, aber auch nicht bleiben,
Wie er vorliegt! Warte, Männchen,
Werde dich beim Worte nehmen!
Dich ein bischen "besser machen!"
Ueberstürzt war deine Bildung,
Ward "forçirt" – darin versah ich's –
Durch den Hitzegrad des Herdes,
Durch den Ueberfluß der Zufuhr.
Hätt' es machen sollen, wie es
Die Natur macht, die nie plötzlich,
Nie auf einen Ruck mit all' dem,
Was sie still bezweckt, herausplatzt,
Hier den Sporn braucht, dort den Hemmschuh,
Und mit vielen Ritardandos
Im spiralen Schneckengange
Des Prozesses der Entwicklung,
Was sie will, gemach vollendet.
Ja, mein Junge, deine Lehre
Nutz' ich – werfe dich noch einmal
In den Tiegel, reduzire
Auf das erste embryonale
Urprinzip dich! Diesen ersten,
Rein materiell erzielten,
Destillirten Lebensurstoff,
Welcher mir so schön gelungen, –
Herrlichster Triumph des Wissens! –
Diesen konservir' ich sorgsam:
Aber um den Keim zu bess'rer
Individueller Bildung
Zu entwickeln, muß verfahren
Anders ich mit ihm ab ovo!
Komm, mein Bürschchen! sei nicht bange
Für dein Leben! denn dein Punctum
Saliens, das ist geborgen:
Und im Wesen wirst du bleiben
Der du bist; zu deinem Vortheil
Umgeformt nur: präsentabler,
Hübscher, stattlicher, gedieg'ner!"
Also sprechend, warf der Doktor
Den entschlummerten Homunkel
Flugs zurück in die Retorte,
Reduzirt' ihn auf das erste
Urprinzip vitalen Daseins,
Wie er glücklich es erfunden,
Auf den embryonalen Zustand,
Auf ein rationell gemischtes,
Zartes Protoplasma-Klümpchen.
Und nachdem ihm dies gelungen
Mit unsäglichem Bemühen,
Sacht' den Embryo verpflanzt' er
Auf geheimnißvolle Weise
In den Mutterschooß der Gattin
Eines armen Dorfschulmeisters.
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Жалоба
Homunculus.
Erstdruck: Hamburg (Richter) 1888.
Hamerling, Robert: Homunculus. Modernes Epos in 10 Gesängen, 5. Auflage, Hamburg
1889, S. 1-16.

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